Krisenfolgen­abmilderungsgesetz

28. November 2022

Krise und Reaktionen des Gesetzgebers mit dem SanInsKG

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat erneut auf die aktuelle schwerwiegende Krise mit vorübergehenden Änderungen im Insolvenzrecht reagiert. Unternehmer in dramatischen Zeiten und kritischen Situationen sollen Möglichkeiten haben, mit einem Insolvenzantrag ggf. noch zuzuwarten und ggf. Krise selbst zu lösen.
Die wesentlichen Änderungen durch das sogenannte Sanierungs- und insolvenzrechtliche Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) lauten:

  • Verlängerung der Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung von derzeit sechs Wochen auf acht Wochen
  • Verkürzung des Prognosezeitraums für die insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung von zwölf Monaten auf vier Monate
  • Reduzierung des Planungshorizonts für den Zugang zur Eigenverwaltung und den (gerichtlichen/außergerichtlichen) Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG von sechs Monaten auf vier Monate

Wichtig ist der Hinweis, dass der Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO NICHT geändert wurde.

Das heißt: Die eingetretene Zahlungsunfähigkeit löst – weiterhin und unverändert – eine Insolvenzantragspflicht mit einer maximalen Bearbeitungs- und Handlungsfrist von drei Wochen aus.

Verlängerte Antragspflicht wegen Überschuldung

Unternehmen, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Monate oder Jahre ihr Eigenkapital aufgezehrt haben und daher bilanziell überschuldet sind, müssen nicht zwingend Insolvenzantrag stellen. Sie müssen es nicht, wenn sie eine „eine positive Fortführungsprognose“ haben. Dabei gilt ein Betrachtungszeitraum von – nur noch – vier Monaten, in dem die Fortführungsprognose positiv sein muss.

Ist sie negativ, darf der Unternehmer bzw. GF/Geschäftsleiter nun acht Wochen, also etwa die Hälfte des Prognosezeitraums, lang versuchen, seine „Performance zu verbessern“ und so die Fortführungsprognose auf „positiv“ zu stellen. Danach müsste der Unternehmer bzw. Geschäftsleiter aktiv werden und einen Insolvenzantrag stellen. Unterlässt er das, läuft er Gefahr, wegen „Insolvenzverschleppung“ in Haftung genommen zu werden.

Das neue Gesetz dürfte einigen Unternehmen helfen, u.a., wenn es um die baldige Rückzahlung von – lediglich kreditierten – COVID-Hilfsmitteln geht. Gleichwohl rechnet die Sanierungsbranche ab 2023 mit einem höheren Aufkommen an Insolvenzverfahren. Denn tatsächlich kommt es in der Praxis eher auf die Zahlungs(un)fähigkeit an. Sie war immer schon der bei weitem häufigste tatsächliche Grund und auch Auslöser für gestellte Insolvenzanträge.

In jedem Fall bleibt der Tipp an jeden Unternehmer, die Ertrags- und Liquiditätsplanung ständig aktuell zu halten. Zu raten ist, dass stets eine mindestens zwölfmonatige integrierte Ertrags- und Liquiditätsplanung besteht, was auch dokumentiert wird.

Die Übergangsregelung ist für den „Übergang“. Abzuwarten bleibt die nächste Änderung.

Ferner: Erleichterungen bei Eigenverwaltungsverfahren

Die Neuregelung zur Reduzierung des Planungshorizonts wirkt sich auch auf eigenverwaltende Sanierungsverfahren aus. Der Planungshorizont wird dort von sechs auf vier Monate reduziert. Damit ist der Zugang zu solchen Verfahren erleichtert, und zwar für Verfahren nach der Insolvenzordnung und nach dem StaRUG.

Hintergrund:

Eigenverwaltung und „Schutzschirmverfahren“ sind „echte“ Insolvenzverfahren mit der Option auf Insolvenzgeld der Arbeitnehmer für bis zu drei Monaten. Die Befreiung von den Personalkosten kann relevant für die Planung werden. Beim StaRUG-Verfahren gibt es begriffslogisch kein Insolvenzgeld.

Zusammenfassung und Ausblick

Das SanInsKG bietet Erleichterungen für Unternehmen in Schieflage. Die Energiepreis- und Absatzkrise wird aber auch dadurch nicht gelöst werden können. Es kommt weiter auf die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen an. Die Neuregelungen werden aber dem fähigen Unternehmer mit grds. funktionierendem Geschäftsmodell vorübergehend helfen können.

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Krypto-assets weiter unter Druck

15. November 2022

Kryptobörse FTX ist zahlungsunfähig und stellt Insolvenzantrag

Zeitweise war die US-Kryptobörse FTX 32 Milliarden Dollar wert, das ist einige Monate her. Parallel zum rheinischen Karneval kommt eine weniger erfreuliche Meldung: Die Kryptobörse FTX ist zahlungsunfähig und geht in das US-Chapter-11- Verfahren. Das drückt die Kryptokurse weltweit und besorgt natürlich die Anleger. Die Rede ist von einem „Lehman-Moment für die Blockchain-Währungen“.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/binance-und-ftx-crash-in-kurzen-hosen

Die Schieflage von FTX, einer großen Handelsplattform für Digitalwährungen, soll auf die Tochtergesellschaft Alameda zurückzuführen sein. Jedenfalls verursacht die FTX-Insolvenz Turbulenzen in der gesamten Branche. Vorstandschef Bankman-Fried war ein schillernder Unternehmer. Der 30-jährige war erfolgreicher Wall-Street-Broker. Mit Einleitung des US-Insolvenzverfahrens am 11.11.2022 trat er zurück. Ob der neue Chef John J. Ray III. FTX retten oder gar aus dem Verfahren führen kann, bleibt abzuwarten. Viele Kunden fürchten nun um ihr Geld.

Tatsächlich soll es zu mysteriösen Geldabflüssen gekommen sein. So teilte der Justiziar von Alameda, Ryne Miller, auf Twitter mit, dass „nicht autorisierte Transaktionen“ durchgeführt worden seien. Das Volumen der betroffenen Vermögenswerte und die mutmaßlichen Urheber gab er indes nicht an. Die Nachrichtenagentur Reuters teilte mit, dass mindestens eine Milliarde US-Dollar verschwunden seien. Polizeiliche Ermittlungen werden aktuell von den US-Behörden durchgeführt. Das Ermittlungsergebnis bleibt abzuwarten.

Finanzmärkte stehen nicht erst seit der FTX-Insolvenz unter Druck. Nicht nur in den USA sind Kryptoverwahrer bereits in finanzielle Schieflage geraten. Kunden verlangen mitunter bei Insolvenz ihres Kryptoverwahrers die Ab- oder Aussonderung ihrer Werte. Jedoch dürften im Fall einer Sammelverwahrung aufgrund fehlender Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des oder der Kryptowerte(s) in der Regel keine Ab- oder Aussonderungsrechte greifen, jedenfalls, wenn nicht eine fremdnützige Treuhand besteht.

RA Dr. Marc d’Avoine und RA Phil Hamacher behandeln in dem Beitrag

  • Die Insolvenz des Kryptoverwahrers
    Aussonderungsrechte an Kryptowerten?
    ZIP 2022, 2214 ff.

die möglichen Vorrechte des Kunden in der Insolvenz des Kryptoverwahrers und beleuchten die Rechtslage. Die aktuell in Deutschland bestehenden rechtlichen Unsicherheiten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers und vor allem die Frage, ob verwahrte Token aussonderungsfähig sind, sollten – nicht nur wegen der dt. Nuri-Insolvenz – im Sinne der MiCA-VO-E gesetzlich geregelt werden. Eine Kodifizierung etwa von Aussonderungsansprüchen auch bei Sammelverwahrung („internal settlements“) wird dem Rechtsverkehr dienen und das Vertrauen in die Finanzbranche stärken.

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Bemessung des Schmerzensgeldes in Arzthaftungsangelegenheiten

9. November 2022

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt dem Schmerzensgeld rechtlich grundsätzlich eine doppelte Funktion zu. Die sog. Ausgleichsfunktion soll dafür Sorge tragen, dass der Geschädigte einen angemessenen Ausgleich für diejenigen erlittenen Schäden erhält, welche keinen Vermögensschaden darstellen. Darüber hinaus soll die sog. Genugtuungsfunktion dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (vgl. z.B. BGHZ 212, 48).

Nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs hat auch in Arzthaftungsangelegenheiten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes neben dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für die erlittenen Schmerzen zudem der Gesichtspunkt der Genugtuung Berücksichtigung zu finden (BGH Urt. v. 08.02.2022 – VI ZR 409/19 – NJW, 2022, 1443). Die Doppelfunktion des Schmerzensgeldes ist demnach auch in Arzthaftungsfällen zu bejahen.

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs lag ein Sachverhalt zu Grunde bei dem ein Patient notfallmäßig in einem Krankenhaus eingeliefert wurde. Eine erste Röntgenaufnahme des Thoraxes um 15.07 Uhr ergab den Verdacht, dass mit dem Herzen des Patienten etwas nicht in Ordnung sein könnte. Dies bestätigte sich durch ein anschließend durchgeführtes EKG, welches das Vorliegen eines Herzinfarktes nahelegte. Die Auswertung der zuvor entnommenen Blutprobe lag um 15.37 Uhr vor, sie ergab einen deutlich erhöhten Troponin-Wert. Der Patient wurde im weiteren Verlauf auf die Normalstation verlegt, wo es gegen 16.30 Uhr zu einer kardialen Dekompression und zum Kammerflimmern mit anschließendem Herzstillstand kam. Nach der Reanimation wurde um 18.13 Uhr eine Herzkatheter-Untersuchung begonnen, bei der dem Patienten zwei sog. Stents eingesetzt wurden. Der Patient verstarb am nächsten Morgen gegen 7.30 Uhr nach einem erneuten Herzstillstand. Klägerin im hiesigen Fall war die Witwe des verstorbenen Patienten.

Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 08.02.2022 aus, dass bei Schmerzensgeldansprüchen zwar regelmäßig der Ausgleichsgedanke und damit die sog. Ausgleichsfunktion im Vordergrund stehe, diese jedoch nicht allein maßgebend für die Höhe des geschuldeten Schmerzensgeldes sein könne. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken sei unmöglich, weil sich sog. immaterielle Schäden nicht und Ausgleichsmöglichkeiten nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Obwohl bei der ärztlichen Behandlung das Bestreben der Behandlungsseite im Vordergrund stehe, dem Patienten zu helfen und ihn von seinen Beschwerden zu befreien, stelle es für die Frage der Bemessung des Schmerzendgeldes einen wesentlichen Unterschied dar, ob dem Arzt grobes Verschulden zur Last falle, oder ob ihn nur ein geringer Schuldvorwurf träfe. Daher sei auch zu berücksichtigen, ob dem behandelnden Arzt grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Da dies in den Vorinstanzen nicht hinreichend ausermittelt worden sei, verwies der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung an die Vorinstanz zurück.

Obwohl die behandelnden Ärzte bei den von Ihnen durchgeführten Behandlungen vom medizinischen Grundsatz geleitet werden, dem Patienten zu helfen und ihn von seinen Beschwerden zu befreien oder – wo dies nicht möglich ist – die Beschwerden zumindest zu lindern, ist nach dem dargelegten Urteil des Bundesgerichtshofs im Falle des Vorliegens eines Behandlungsfehlers bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu prüfen, ob dem behandelnden Arzt im Zusammenhang mit dem Behandlungsfehler grob fahrlässiges oder sogar vorsätzliches Handeln vorzuwerfen ist.

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ATN Beitrag in der ZIP – Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

3. November 2022

Marc d’Avoine und Phil Hamacher sind mit einem Aufsatz zum Thema „Insolvenz des Kryptoverwahrers“ in der aktuellen Ausgabe der ZIP

Die 44. Ausgabe der Zeitschrift für Wirtschaftsrecht erscheint Freitag den 04.11.2022.

Die Finanzmärkte stehen unter Druck – und auch Kryptoverwahrern kann die finanzielle Schieflage drohen. Mit der Folge, dass bei der Insolvenz eines Kryptoverwahrers seine Kunden die Aussonderung ihrer Werte verlangen.

Weil jedoch in der Regel die Bestimmbarkeit der Kryptowerte fehlt, dürften hier keine Aussonderungsrechte greifen – es sei denn, es bestünde eine fremdnützige Treuhand.

Zwischen beiden beteiligten Parteien wird wohl Einigkeit darüber bestehen, dass nur der Krypto-User eine eigentümerähnliche Stellung einnehmen soll. Im Falle einer Insolvenz des Kryptoverwahrers ist der Krypto-User deshalb der Gläubiger mit Ansprüchen im Rang des § 38 InsO – deren Werthaltigkeit ist allerdings zunächst offen und stellt sich erst im Lauf des konkreten Verfahrens ein.

Auf diese Diskrepanz sollte der deutsche Gesetzgeber reagieren. Eine Kodifizierung etwa von Aussonderungsansprüchen, insbesondere bei Kryptowerten, die in Sammelverwahrung gehaltenen werden, wird letztlich dem Rechtsverkehr dienen und das Vertrauen in die Finanzbranche stärken.

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Crypto Values in Crisis and Liquidation

2. November 2022

Crypto Values in Crisis and Liquidation

Crypto values play an increasingly important role in a crisis and insolvency. Global financial systems must handle crypto tokens. Whether and how government control or regulation can or should take place in the future is open. The current and future expected market capitalization of cryptocurrencies (currently approx. €112 billion) and the ability to transfer them from the crypto space into state-recognized currencies (euros, dollars, etc.) requires increased attention in all areas. As a result, crypto assets are also increasingly in the focus of restructuring companies and insolvency administrators. Treating them, securing them and exploiting extremely volatile values is both a task and a challenge.

German cryptocurrency bank Nuri ceases operations

Having filed for pre-insolvency proceedings earlier this year, it has now been announced that the German cryptocurrency bank Nuri has been forced to terminate operations. According to reports from Sifted, the firm failed to secure additional investment or find a suitable buyer for the brand, and has been negatively impacted by the fall in the cryptocurrency market.

It is understood that customers have been advised to withdraw their funds by 18th December, at which point the firm will cease operations and be liquidated. Around 215 employees at Nuri are expected to lose their jobs as a result of the liquidation.

In an official statement, Nuri’s CEO said, “During the preliminary insolvency proceedings, we have worked very closely with our insolvency administrators on a restructuring plan in the past three months and tried to find a potential acquirer to continue our story.”

https://www.insol-europe.org/

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