Pressemitteilung: INTERBODEN-Gruppe verkauft

6. Juni 2024

Erfolgreicher Abschluss des Investorenprozesses

Der Immobilienentwickler INTERBODEN ist verkauft. Geschäftsführung, Berater von ATN, RA Dr. Marc d’Avoine, Ignacio Ordejón und RA Dipl. Kfm. Paul Michels sowie RA Dr. Uwe Paul von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH haben einen Investor gefunden. Die Gesellschafterfamilie Götzen unterstützte den Prozess maßgebend.

Am Ende des strukturierten Investorenprozesses setzte sich Arrow Global Germany GmbH durch. Vereinbart und geregelt wurden u.a.

  • der Verkauf und die Übertragung der immateriellen und materiellen Vermögensgegenstände der INTERBODEN Gesellschaften;
  • der Verkauf und die Übertragung der Beschäftigungsverhältnisse bei den INTERBODEN Gesellschaften; und
  • der Abschluss bestimmter Service-Agreements.

Arrow Global Germany übernimmt zum 1. Juni 2024

Durch den Vertrag mit Stichtag 01.06.2024 ist es gelungen, die Projektentwicklung der INTERBODEN in ihren wesentlichen Teilen zu erhalten. Ein Einzelverkauf von Projekten konnte vermieden werden. Eine – im Vorfeld durchaus zu befürchtende – Zerschlagung findet nicht statt; im Gegenteil, insbesondere die Projekte „Max-Frei“ und „The Cradle“ in Düsseldorf können beide fortgeführt und bestimmungsgemäß abgeschlossen werden, was indes noch einige Zeit dauern wird.

Das Management wird verstärkt und ergänzt. Die Erwerber übernehmen sämtliche rund 70 Arbeitsverhältnisse ohne Änderungen. Die Verantwortlichen danken allen Beteiligten für den außerordentlichen Einsatz im Eigenverwaltungsverfahren INTERBODEN GmbH & Co. KG, Dachgesellschaft der INTERBODEN Gruppe, aber auch in den Regelverfahren INTERBODEN Innovative Gewerbewelten GmbH & Co. KG sowie INTERBODEN Innovative Lebenswelten GmbH & Co. KG. Nur durch deren Einsatz und die Unterstützung und Förderung des Prozesses durch die Gesellschafterfamilie Götzen im Vorfeld konnte das Ziel, das Unternehmen weiterzuführen und sämtliche im Bau befindlichen Projekte fertigzustellen, erreicht werden.

Anfang Februar 2024 stellte die INTERBODEN GmbH & Co. KG einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Das Amtsgericht Düsseldorf eröffnete das Verfahren am 1. Mai 2024 und bestellte Rechtsanwalt Dr. Uwe Paul von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH zum Sachwalter. Er überwacht das Eigenverwaltungsverfahren im Interesse der Gläubiger.

Für die Tochtergesellschaften INTERBODEN Lebenswelten GmbH & Co. KG und INTERBODEN Gewerbewelten GmbH & Co. KG ordnete das Gericht zugleich die Insolvenzverwaltung an. Das Amtsgericht bestellte ebenfalls am 1. Mai 2024 PLUTA-Rechtsanwalt Dr. Uwe Paul für beide Gesellschaften zum Insolvenzverwalter, er war zuvor als vorläufiger Verwalter tätig. Dr. Paul wird im PLUTA-Team von Rechtsanwalt Oliver Westkamp unterstützt. Das Team wird die Insolvenzverfahren nun weiterbearbeiten. Es gilt, die angemeldeten Forderungen und weitere rechtliche Ansprüche zu prüfen. Ein Abschluss ist derzeit noch nicht absehbar.

Erfolgreicher Abschluss des Investorenprozesses

Das Verfahren und die Verhandlungen mit den Interessenten waren hochkomplex. Diesen Herausforderungen wurde von Beginn an Rechnung getragen. INTERBODEN wurde durchgängig von einem Team um die Sanierungs- und Restrukturierungsexperten Dr. Marc d’Avoine, Ignacio Ordejón und Paul Michels aus der Kanzlei ATN Rechtsanwälte beraten. „Das Eigenverwaltungsverfahren ist ein in der Praxis bewährtes Instrument zur Beseitigung von Krisensituationen und zur nachhaltigen Sanierung von Unternehmen. Einige Gesellschaften wurden im Regelverfahren geführt. Der Erfolg mit dem raschen Kauf- und Übertragungsvertrag gibt der Gesellschafterfamilie, den Mitarbeiter*innen und den Stakeholdern recht. Die Kooperation mit dem Sachwalter und Insolvenzverwalter RA Dr. Uwe Paul war ausgesprochen konstruktiv und gut“, so das Fazit des RA Dr. Marc d’Avoine.

Dazu der Sachwalter und Insolvenzverwalter RA Dr. Uwe Paul von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH: „INTERBODEN steht im Markt für Innovation, Pionier für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche. Durch die Transaktion mit Arrow Global können diese besonderen Stärken von INTERBODEN erhalten und für die zukünftige Geschäftstätigkeit gesichert werden. Damit ist der Grundstock für ein weiteres erfolgreiches Unternehmertum gelegt. Mit der Übernahme von wesentlichen Teilen der INTERBODEN-Gruppe durch Arrow Global ist darüber hinaus nicht nur für die Fertigstellung des Holzhybridgebäudes The Cradle im Düsseldorfer Medienhafen und die weitere Entwicklung des noch im Bau befindlichen Quartierprojekts maxfrei in Düsseldorf Derendorf gesorgt.“

Nachhaltige Werte in verschiedenen Anlageklassen

Arrow Global ist ein führender europäischer Verwalter alternativer Vermögenswerte, der sich auf europäische Privatkredite und Immobilien spezialisiert hat. Die Gruppe ist in sieben europäischen Ländern tätig mit Hauptsitz in London und Niederlassungen unter anderem in Rom, Lissabon, Madrid, Amsterdam, Luxemburg und Dublin.

Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Düsseldorf, Az.: 502 IN 31/24

Pressekontakt für Rückfragen:

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Neues Finanzmarkt­digitalisierungsgesetz (FinmadiG)

7. November 2023

Regierungsentwurf vom 23.10.2023

Mit dem Gesetzentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes ( ZuFinG) hatte die Regierung im Juni 2023 ein Paket zur Änderung  einer Vielzahl von Gesetzen auf den Weg gebracht, dessen Verabschiedung im Bundestag Ende 2023 zu erwarten ist. Damit soll die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes gestärkt und die Attraktivität des deutschen Finanzstandortes erhöht werden. 

Der nunmehrige Referentenentwurf zum FinmadiG fasst verschiedene Gesetze zur Durchführung der Europäischen Verordnungen MiCA (Markets in Crypto Assets), der Neufassung der EU-Geldtransferverordnung (Transfer of Funds Regulation) sowie der Durchführung bzw. Umsetzung des europäischen DORA-Pakets (Digital Operational Resilience Act (Verordnung und Richtlinie) nebst Begründung (Stand: 23.10. 2023), zusammen. Der Entwurf zum FinmadiG beinhaltet Änderungen  einiger – noch nicht in Kraft getretener – Regelungen des ZuFinG, das den Umgang mit Kryptowerten in deren Insolvenz klarstellt und den Schutz des von Kryptoverwahrern verwahrten Kundenvermögens konkretisiert.

FinmadiG ergänzt Zukunftsfinanzierungsgesetzes ( ZuFinG)

Auch der Entwurf des FinmadiG zielt auf eine „Stärkung des Vertrauens in neue digitale Finanzinfrastrukturen“ und will die „digitale Resilienz erhöhen“. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung sind Regeln geboten, um den gestiegenen Geldwäscherisiken entgegenzuwirken, welche unzweifelhaft auch mit Kryptowerten in Zusammenhang gebracht werden.

Zudem wird mit dem vorliegenden Entwurf die bisherige nationale Regulierung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen in Hinblick auf Kryptowerte, namentlich im Kreditwesengesetz (KWG), in den neuen Rechtsrahmen der Verordnung (EU) 2023/1114 überführt und dort an die Besonderheiten der Kryptomärkte angepasst. Institute, die derzeit nach nationalem Recht Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen in Bezug auf Kryptowerte betreiben bzw. erbringen, sollen möglichst einfach in diesen neuen Rechtsrahmen überführt werden.

Zur Durchführung der Verordnung (EU) 2023/1113 erfolgen Anpassungen im Geldwäschegesetz (GwG) in Bezug auf Kryptowertetransfers. Dazu gehört insbesondere die Festlegung der Aufsichtszuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben durch die Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen.

Einzelne Gesetze

Eines der neuen Einzelgesetze im Rahmen des FinmadiG ist das Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KMAG-E). Dieses regelt den Handel auf Handelsplattformen für Kryptowerte und Verhinderung von Marktmissbrauch auf Handelsplattformen für Kryptowerte, etwa durch:

  • § 30 KMAG-E: Verfolgung von Marktmissbrauch
  • § 32 KMAG-E: Anzeige straftatbegründender Tatsachen
  • § 33 KMAG-E: Aussetzung des Handels und Ausschluss von Kryptowerten vom Handel; Maßnahmen in Bezug auf mit dem Kryptowert verbundene Derivate
  • § 34 KMAG-E: Bekanntmachung marktrelevanter Informationen zum Handel zugelassener Kryptowerte

Insolvenzregelungen 

Für die Insolvenz ist § 43 Abs. 1 KMAG-E zu nennen:

„(1) Wird ein Institut zahlungsunfähig oder tritt Überschuldung ein, so haben die Mitglieder des Leitungsorgans dies der Bundesanstalt unter Beifügung aussagekräftiger Unterlagen unverzüglich anzuzeigen; die Mitglieder des Leitungsorgans haben eine solche Anzeige auch dann vorzunehmen, wenn das Institut voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (drohende Zahlungsunfähigkeit). Soweit diese Personen nach anderen Rechtsvorschriften verpflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, tritt an die Stelle der Antragspflicht die Anzeigepflicht nach Satz 1. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts findet im Falle der Zahlungsunfähigkeit, der Überschuldung oder unter den Voraussetzungen des Satzes 5 auch im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit statt. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Instituts kann nur die Bundesanstalt stellen. Im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit darf die Bundesanstalt den Antrag jedoch nur mit Zustimmung des Instituts stellen.“

Die Regelung in § 43 Abs. 1 KMAG-E wird begrüßt. Allerdings bedarf es der Konkretisierung der Bezeichnung „unter Beifügung aussagekräftiger Unterlagen“. Damit sollten sich die Verfasser des Entwurfs bzw. die Regierung noch zu beschäftigen haben.

§ 43 Abs. 2 KMAG-E sieht vor:

„(2) Vor der Bestellung des Insolvenzverwalters hat das Insolvenzgericht die Bundesanstalt anzuhören. Der Eröffnungsbeschluss ist der Bundesanstalt gesondert zuzustellen. Das Insolvenzgericht übersendet der Bundesanstalt alle weiteren, das Verfahren betreffenden Beschlüsse und erteilt auf Anfrage Auskunft zum Stand und Fortgang des Verfahrens. Die Bundesanstalt kann Einsicht in die Insolvenzakten nehmen.“

Auch diese Regelung ist grundsätzlich zu begrüßen, allerdings sollte sie ergänzt werden, ebenso § 43 Abs. 3 KMAG-E.

„(3) Der Insolvenzverwalter informiert die Bundesanstalt laufend über Stand und Fortgang des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Überlassung der Berichte für das Insolvenzgericht, die Gläubigerversammlung oder einen Gläubigerausschuss. Die Bundesanstalt kann darüber hinaus weitere Auskünfte und Unterlagen zum Insolvenzverfahren verlangen.“

Eine Ergänzung um den „eigenverwaltenden Schuldner sowie den Sachwalter“ wird diskutiert.  

 Verweis auf das Kreditwesengesetz

§ 43 Abs. 4 KMAG-E verweist auf §§ 46c bis 46g mit Ausnahme von § 46d des Kreditwesengesetzes.

§ 44 KMAG-E regelt die Aussonderung bei Kryptoverwahrung und steht im Kontext zu §§ 26b und 46i KWG:

„(1) Der im Rahmen der Kryptoverwahrung für einen Kunden verwahrte Kryptowert gilt als dem Kunden gehörig.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für den dem Kunden zustehenden Anteil an Kryptowerten in gemeinschaftlicher Verwahrung sowie für isoliert verwahrte private kryptographische Schlüssel.

(3) Stimmt der Kunde im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts einer Aussonderung im Rahmen einer Übertragung des vom Institut verwahrten Gesamtbestands auf ein anderes Institut, das Kryptoverwahrung erbringt, nicht zu, trägt er die Kosten der Aussonderung. Dies gilt nicht, wenn die Bedingungen, zu denen das andere Instituts [sic] eine Fortführung des Verwahrverhältnisses anbietet, für den Kunden unzumutbar sind. Die Sätze 1 und 2 sind auf die Übertragung wesentlicher Teile des verwahrten Gesamtbestands entsprechend anzuwenden.“

In der Umsetzung soll § 46i KWG als Teil des ZuFinG wie folgt geändert werden:

„a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Das im Rahmen eines qualifizierten Kryptoverwahrgeschäfts für einen Kunden verwahrte kryptographische Instrument gilt als dem Kunden gehörig. Das gilt nicht, wenn der Kunde die Einwilligung zu Verfügungen über den verwahrten Wert für Rechnung des Instituts oder Dritter erteilt hat.“

b) In Absatz 2 wird das Wort „Kryptowerten“ durch die Wörter „kryptographischen Instrumenten“ ersetzt.

c) In Absatz 3 Satz 1 wird vor dem Wort „Kryptoverwahrgeschäft“ das Wort „qualifizierte“ eingefügt.“ [1]

 Wertung und Fazit 

Die evtl. Aussonderung bei Kryptoverwahrung in der Insolvenz des Verwahrers (Dienstleister, Intermediär) wird intensiv erörtert und kontrovers diskutiert. Der Finanzmarkplatz Deutschland braucht Sicherheit und verlässliche Regeln für die Tokenuser. Das greift der Gesetzgeber auf und baut eine gesetzliche Vermutung in §§ 26b und 46i KW ein. Zu hoffen bleibt, dass weitere Insolvenzen – wie von FTX u.a. – ausbleiben.

Wenn es zu einer Insolvenz kommt, ist der Tokenuser künftig besser geschützt, weil er ein sog. „Aussonderungsrecht“ erhält. Der Aussonderungsvorgang auf ein anderes Institut verursacht jedoch – auch im Wege der Übertragung nach § 46i Abs. 3 KWG-E – Kosten. Wer die wann zu tragen hat, hängt davon ab, auf welchen (neuen) Dienstleister die Werte übertragen werden sollen. Das dürfte in einem evtl. Insolvenzfall u.U. erhebliche Kosten verursachen, was die Masse schmälern und eine Quote kürzen könnte.

Im Ergebnis ist der Entwurf insgesamt zu begrüßen, weil er vorhandene Regelungslücken schließt. Positiv für den Marktplatz ist auch, dass die BaFin über das KMAG weitreichende Befugnisse erhält, etwa Kontroll- und Aufsichtsrechte. Weitere Gesetze und Regelungen in diesem dynamischen Feld sind zu erwarten.

[1] Vgl. S. 72 des Entwurfes.

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Zum sofortigen Anerkenntnis bei gleichzeitigem Pflichtteilsstundungsantrag

3. November 2023

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied mit Beschluss vom 05.07.2023, I-7 W 46/23, soweit ersichtlich als erstes OLG überhaupt, dass ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO nicht in Betracht kommt, wenn der Erbe den eingeklagten Pflichtteilsanspruch zwar sofort anerkennt, jedoch zugleich Stundung beantragt, § 2331a BGB. Ein wirksames Anerkenntnis, mit dem der geltend gemachte Anspruch dem Grunde und der Höhe nach zugestanden wird, muss (so das OLG Düsseldorf) gegenüber Gericht und Prozessgegner unmissverständlich, unbedingt und in der Regel vorbehaltlos abgegeben werden.

Wir hatten für unsere Mandantin einen unstreitigen Mindestbetrag auf ihren Pflichtteil eingeklagt, da der Alleinerbe diesen außergerichtlich nicht zahlte. Der Alleinerbe verwies u. a. darauf, dass der Nachlass im Wesentlichen aus einer Immobilie mit 3 Wohnungen bestehe, die zunächst verkauft werden müsse. Dies könne mehrere Monate dauern. Zudem müsse er als Alleinerbe zunächst als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden. Unsere pflichtteilsberechtigte Mandantin als einzige Tochter der Erblasserin möge sich daher in Geduld üben.

Da die Zahlungsfrist fruchtlos verstrich, reichten wir Klage beim Landgericht Wuppertal auf Zahlung eines unstreitigen Teilbetrages in Höhe von € 200.000,00 ein. Der Alleinerbe erkannte diesen Betrag unter Protest gegen die Kostenlast an und beantragte zugleich die Stundung des Betrags, da der Nachlass nicht liquide sei und die Immobilie erst verkauft werden müsse, die er als vormaliger Mieter und jetziger Eigentümer selbst bewohne. Dieser Pflichtteilsstundungsantrag war grds. möglich, denn dessen sachlicher Anwendungsbereich wurde im Rahmen der Erbrechtsreform 2010 vergrößert. Somit bestehen bei illiquiden Nachlässen bessere rechtliche Möglichkeiten seitens der Erben, für die Zahlung auf den Pflichtteil Zeit zu gewinnen. Gleichwohl wird bis heute in der anwaltlichen Praxis zurückhaltend über die Stundungsmöglichkeit beraten und noch weniger von ihr Gebrauch gemacht. Dies verwundert, da bereits die bloße Ankündigung eines Stundungsantrags den Druck zum Abschluss eines (außergerichtlichen) Vergleichs wegen des Pflichtteilsanspruchs als sofort fälligen Geldanspruch erhöht („denn schnelles Geld ist gutes Geld).

Im vorgenannten Klageverfahren erließ das Landgericht ein Anerkenntnisurteil über € 200.000,00 und entschied, dass die Kosten des Rechtsstreits unsere Mandantin als Klägerin tragen müsse. Zur Begründung führte das Landgericht u. a. aus:

„(…) Dem Beklagten musste ein angemessener Zeitraum zur Ermittlung (des Werts) des Nachlasses zugestanden werden, bevor von ihm die Zahlung des Pflichtteils (nicht bloß die Auskunft über den Nachlass) verlangt werden konnte. (…) Dies gilt insbesondere für einen Zahlungsanspruch, den der Beklagte nicht ohne weiteres – wie dargelegt – aus dem eigenen Vermögen bestreiten kann. Der Beklagte hat demgegenüber seine Bestrebungen zum Verkauf der Immobilie aufgezeigt. (…)“

Das Landgericht warf der Klägerin sogar vor, einen „Klageüberfall“ begangen zu haben; wobei es sich hierbei weniger um einen juristischen Fachausdruck handeln dürfte.

Diese (Rechts-) Ausführungen konnten wir nicht nachvollziehen, denn das LG schränkte den eindeutigen Anwendungsbereich des § 2317 Abs. 1 BGB („Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall.“) stark ein. Daher legten wir gegen die Kostenentscheidung Beschwerde beim OLG ein.

Das OLG Düsseldorf schob der Einschränkung des Pflichtteils einen Riegel vor. Der Senat hob im Gegenteil die Verschleppungsabsicht des Erben hervor und betonte das Titulierungsinteresse unserer pflichtteilsberechtigten Mandantin. Dieser müsse z. B. die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek ermöglicht werden (die auch nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils sofort veranlasst wurde). Das OLG stellte klar, dass ein wirksames Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO unbedingt und vorbehaltlos erfolgen muss. Daher musste der beklagte Alleinerbe sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten tragen (insgesamt rd. € 21.000,00).

Diese begrüßenswerte obergerichtliche Rechtsprechung dürfte auch auf entsprechende Fälle zur Stundung des Zugewinnausgleichsanspruches nach § 1382 BGB Anwendung finden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Die (Pflichtteils-) Stundung sollte in der anwaltlichen Beratung einen höheren Stellenwert einnehmen; im Prozess aber sollte man sich davor hüten, ein sofortiges (Teil-) Anerkenntnis zu erklären und zugleich eine Stundung zu beantragen.

Die vollständigen Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf nebst meinen ausführlichen Anmerkungen wurden in der Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis veröffentlicht (ErbR 2023, 879).

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Kryptowährungen im Fokus des Strafprozesses

2. Dezember 2022

„Crime must not pay“ – Verbrechen darf sich nicht lohnen

Kryptowährungen werden heute noch immer weitverbreitet als „anonyme“ Zahlungsmittel missverstanden. Die Vorstellung, illegal erworbener Geldwerte im Crypto-Space zu halten, um sie erfolgreich dem staatlichen Zugriff zu entziehen, ist falsch. Ermittlungsbehörden und Rechtsprechung haben das Thema erkannt und werden auch Kryptowährungen bei Straftätern abschöpfen, denn es gilt der Grundsatz: „crime must not pay“ – Verbrechen darf sich nicht lohnen.

Dass Kryptowährungen grundsätzlich auch in Strafprozessen abschöpfbar sind, hat der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 11.01.2022 (Az. 3 StR 415/21) gezeigt. Damals bestätigte er die rechtmäßige Einziehung als Tatertrag, bzw. als Surrogat, gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3 StGB. Und dass auch unabhängig von etwaigen Kursschwankungen. Seinerzeit stand fest, dass der Angeklagte die Kryptowährungen unmittelbar durch Drogenverkäufe erwarb. Anders liegt der folgende Fall.
Mit Beschluss vom 22.09.2022 (Az. 3 StR 175/22) hatte der BGH (erneut) über die Einziehung von Kryptowährungen als Taterträge zu entscheiden. Die interessante Entscheidung ist nachzulesen unter:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/

Zum Hintergrund:

Der Angeklagte wurde vor dem Landgericht Aurich wegen verschiedener Betäubungsmittel- und Geldwäschedelikten, zu einer hohen Freiheitsstrafe von insg. 13 Jahren verurteilt. Durch diese Taten hat er Einkünfte in Höhe von insgesamt € 1.032.147,49 erzielt, deren Einziehung gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB in voller Höhe angeordnet wurde (auf die Investitionen dieses Geldbetrages in andere Wirtschaftsgüter kommt es insoweit nicht an). Zugleich konnten im Rahmen einer Durchsuchung beim Angeklagten auch Kryptowährungen ermittelt werden. Das Landgericht Aurich hat die Einziehung dieser Kryptowährungen als „erweiterte Taterträge“ angeordnet. Hiergegen wandte sich nunmehr der Angeklagte – erfolgreich – mit der Revision.

Einziehungsfähigkeit

Die erweiterte Einziehung richtet sich nach § 73a StGB. Als Objekte der erweiterten Einziehung zählen alle Vermögensgegenstände, die durch eine andere – also nicht von der Anklage umfasste – rechtswidrige Tat erlangt worden sind. Die Herkunftstat darf also nicht mit der im Strafverfahren abzuurteilenden Anknüpfungstat identisch sein.
Die Vorschrift des § 73a StGB ist zudem gegenüber § 73 StGB subsidiär. Eine erweiterte Einziehung von Taterträgen kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn eine sichere Zuordnung zu konkreten oder zumindest konkretisierbaren einzelnen Taten ausgeschlossen ist. Der BGH stellte hingegen in Tz. 7 seines Beschlusses eindeutig fest:

„Es wurden Kryptowährungen gesichert, die […] dem Angeklagten zustanden und von ihm mit Geldern erworben worden waren, die aus Betäubungsmittelgeschäften stammten.“

Grundsätzlich einziehbar gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB

Der BGH führt an, dass die Kryptowährungen zwar grundsätzlich gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB einziehbar seien. Allerdings eben nicht in der Höhe des dafür aufgewendeten Geldes. Da der Angeklagte dieses Geld bereits in voller Höhe an die Staatskasse zu zahlen habe, läge bei gleichzeitigem erweitertem Einzug nach § 73a StGB auch der erworbenen Kryptowährungen eine unzulässige doppelte Abschöpfung vor.

Der BGH hat die Einziehungsanordnung aufgehoben. In Tz. 12 heißt es:

„Wegen der möglichen Wechselwirkung zwischen der Einziehung des Wertes der Taterträge aus den Betäubungsmitteltaten einerseits und der erweiterten Einziehung der Kryptowährungen andererseits sind die Aussprüche insgesamt aufzuheben.“

Die Entscheidung ist nicht überraschend. Der BGH nutzt zudem die Möglichkeit und stellt klar, dass bei erfülltem Geldwäschetatbeständen, die Einziehung nicht über §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1 StGB erfolge. Das Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021 (BGBl. I S. 327 ff.) sei zu zwingend beachten.

Falls die erworbenen Kryptowährungen nämlich (auch) als Mittel zur Geldwäsche verwendet worden seien, hätte sich eine Einziehungsentscheidung nur nach § 74 Abs. 2 StGB, bzw. bei Vereitelungshandlungen nur nach § 74c StGB, zu richten. In diesen Fällen hat der Spruchkörper dann einen Ermessenspielraum, den er auch ordnungsgemäß ausüben muss. Das habe das Landgericht Aurich nicht getan.

Fazit und Ausblick

Der Ausspruch über die Einziehung wurde folglich aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aurich zurückverwiesen.

Die Entscheidung des BGH zeigt einmal mehr, dass Kryptowährungen und deren Einziehung strafprozessual große Bedeutung haben. Der BGH schafft weiter Klarheit für Ermittlungs- und Rechtsprechungspraxis. Kryptowährungen bleiben ihrer Natur nach grundsätzlich über §§ 73 Abs. 1, 73c StGB einziehbar.

Kriminelle Energien sind im Crypto-Space weiterhin keine Seltenheit. Erst kürzlich wurde ein international tätiger Betrügerring von der spanischen Polizei zerschlagen, welcher rund 2,4 Milliarden Euro erbeutet und rund 17.000 Anleger geschädigt haben soll.

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen

Es ist zu erwarten, dass die Ermittlungsbehörden im Crypto-Space weiter massiv Know-How aufbauen und Einsatzkapazitäten ausweiten werden. Die Blockchain-Technologie ist kein anonymes, sondern ein pseudonymes System. Einziehungsanordnungen von Kryptowährungen sind keine Seltenheit mehr. Es bleibt dabei: „Crime must not pay“

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Krypto-assets weiter unter Druck

15. November 2022

Kryptobörse FTX ist zahlungsunfähig und stellt Insolvenzantrag

Zeitweise war die US-Kryptobörse FTX 32 Milliarden Dollar wert, das ist einige Monate her. Parallel zum rheinischen Karneval kommt eine weniger erfreuliche Meldung: Die Kryptobörse FTX ist zahlungsunfähig und geht in das US-Chapter-11- Verfahren. Das drückt die Kryptokurse weltweit und besorgt natürlich die Anleger. Die Rede ist von einem „Lehman-Moment für die Blockchain-Währungen“.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/binance-und-ftx-crash-in-kurzen-hosen

Die Schieflage von FTX, einer großen Handelsplattform für Digitalwährungen, soll auf die Tochtergesellschaft Alameda zurückzuführen sein. Jedenfalls verursacht die FTX-Insolvenz Turbulenzen in der gesamten Branche. Vorstandschef Bankman-Fried war ein schillernder Unternehmer. Der 30-jährige war erfolgreicher Wall-Street-Broker. Mit Einleitung des US-Insolvenzverfahrens am 11.11.2022 trat er zurück. Ob der neue Chef John J. Ray III. FTX retten oder gar aus dem Verfahren führen kann, bleibt abzuwarten. Viele Kunden fürchten nun um ihr Geld.

Tatsächlich soll es zu mysteriösen Geldabflüssen gekommen sein. So teilte der Justiziar von Alameda, Ryne Miller, auf Twitter mit, dass „nicht autorisierte Transaktionen“ durchgeführt worden seien. Das Volumen der betroffenen Vermögenswerte und die mutmaßlichen Urheber gab er indes nicht an. Die Nachrichtenagentur Reuters teilte mit, dass mindestens eine Milliarde US-Dollar verschwunden seien. Polizeiliche Ermittlungen werden aktuell von den US-Behörden durchgeführt. Das Ermittlungsergebnis bleibt abzuwarten.

Finanzmärkte stehen nicht erst seit der FTX-Insolvenz unter Druck. Nicht nur in den USA sind Kryptoverwahrer bereits in finanzielle Schieflage geraten. Kunden verlangen mitunter bei Insolvenz ihres Kryptoverwahrers die Ab- oder Aussonderung ihrer Werte. Jedoch dürften im Fall einer Sammelverwahrung aufgrund fehlender Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des oder der Kryptowerte(s) in der Regel keine Ab- oder Aussonderungsrechte greifen, jedenfalls, wenn nicht eine fremdnützige Treuhand besteht.

RA Dr. Marc d’Avoine und RA Phil Hamacher behandeln in dem Beitrag

  • Die Insolvenz des Kryptoverwahrers
    Aussonderungsrechte an Kryptowerten?
    ZIP 2022, 2214 ff.

die möglichen Vorrechte des Kunden in der Insolvenz des Kryptoverwahrers und beleuchten die Rechtslage. Die aktuell in Deutschland bestehenden rechtlichen Unsicherheiten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers und vor allem die Frage, ob verwahrte Token aussonderungsfähig sind, sollten – nicht nur wegen der dt. Nuri-Insolvenz – im Sinne der MiCA-VO-E gesetzlich geregelt werden. Eine Kodifizierung etwa von Aussonderungsansprüchen auch bei Sammelverwahrung („internal settlements“) wird dem Rechtsverkehr dienen und das Vertrauen in die Finanzbranche stärken.

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Der Kryptoverwahrer Nuri wird nicht fortgeführt

18. Oktober 2022

Gespräche mit Investoren gescheitert

Die CEO des Kryptoverwahrers Nuri, Frau Kristina Walcker-Mayer, erklärte am 18.10.2022, dass eine Fortführung der Finanzdienstleistungen nicht möglich ist.
Die Gespräche mit potentiellen Investoren verliefen nicht erfolgreich. Eine Fortführung komme daher nicht in Betracht. Gleichzeitig sollen die Gelder der Kunden jedoch sicher sein und idealerweise bis zum 18.12.2022 abgehoben werden.

Brief der CEO Kristina

In einem auf der Internetseite von Nuri veröffentlichten Brief heißt es:

„Wichtige Kundeninformation: Nuri wird die Geschäftstätigkeit am 18.12.2022 einstellen.“

und weiter:

„Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens haben wir in den letzten drei Monaten sehr eng mit unseren Insolvenzverwaltern an einem Sanierungsplan gearbeitet und versucht, einen potentiellen Käufer zu gewinnen, um unsere Geschichte fortzuführen. Leider ist es uns nicht gelungen, Investoren zu finden, um unsere Mission fortzusetzen.“

Alle Guthaben auf den Nuri Konten sollen – so CEO Kristina Walcker-Mayer – sicher sein und seien von der Insolvenz von Nuri nicht betroffen. Der Kryptohandel soll noch bis zum 30.11.2022 möglich sein. Nach dem 18.12.2022 werde das Unternehmen sodann terminiert und liquidiert.

Der gesamte Brief ist abrufbar unter: https://nuri.com/de/blog/letter-from-ceo/

Vorläufiges Insolvenzverfahren seit 09.08.2022

Im Juli 2022 hatte der US-Anbieter Celsius die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt. Da das deutsche Fintech-Unternehmen und Kryptoverwahrer Nuri (vormals Bitwala) eng mit Celsius kooperierte, geriet auch Nuri in finanzielle Schwierigkeiten. Seit dem 09.08.2022 ist das vorläufige Insolvenzverfahren vor dem Insolvenzgericht Berlin Charlottenburg (Az. 36n IN 4212/22) anhängig.

Die Insolvenzeröffnung bleibt indes abzuwarten.

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Behandlung von digitalen Werten und Kryptoassets in Krise und Insolvenz:

17. Oktober 2022

Dr. Marc d’Avoine hat Fachvortrag beim ISR der Uni Düsseldorf gehalten

Krypotowerte spielen eine zunehmend wichtige Rolle für die globalen Finanzsysteme – das gilt auch in Krise und Insolvenz. Ob und wie künftig eine staatliche Kontrolle oder Regulierung erfolgen kann oder soll, ist allerdings noch offen. Bei der Jahrestagung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht der Universität Düsseldorf und der Düsseldorfer Vereinigung für Insolvenz- und Sanierungsrecht e.V. drehte sich passend dazu alles um die „Herausforderungen“ in der Insolvenz- und Sanierungspraxis im Dschungel neuer Technologien und unbequemer Gesetze. RA Dr. Marc d’Avoine war mit einem Fachvortrag dabei.

Kryptowährungen: Technik, Besteuerung, Insolvenz und mehr

Wie lässt sich die Sicherung, Behandlung, Verwertung und Besteuerung von Kryptowerten durchführen? Vor etwa 200 Teilnehmern befasste sich d’Avoine in seinem Vortrag „Kryptowerte: Art – Einordnung – Behandlung in Krise und Insolvenz“ im Detail mit Kryptowerten in Krise und Insolvenz.

Dabei wurden folgende Themen behandelt:

  • Grundlegende Technik (Blockchain, Token und Coins, Wallet)
  • Behandlung in Insolvenz
  • Verwertung in der Insolvenz
  • Besteuerung von Kryptowerten
  • Europäische Regulierung
  • Insolvenz des Kryptoverwahrers

Sie haben konkrete Fragen zu digitalen Werten und Kryptoassets? Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu Dr. Marc d’Avoine auf.

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Grundsteuerreform erfordert Neubewertung von 36 Millionen Immobilien

4. Mai 2022

Erklärungen müssen vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2022 digital beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden

Mit der Umsetzung der Grundsteuerreform müssen insgesamt ca. 36 Millionen Einheiten neu bewertet werden. Vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2022 muss die Feststellungserklärung digital bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht werden. Das bedeutet für Eigentümer:innen aber auch für viele Unternehmen einen erheblichen Aufwand. Auch zukünftig sind neue Anforderungen zu erfüllen, wie etwa eine jährliche Anzeigepflicht bei Veränderungen an den Immobilien.

Die Grundsteuerreform und die Erklärungspflichten stellen für Eigentümer:innen, Grundstücksgesellschaften, Eigentümergemeinschaften, Erbengemeinschaften, Zwangsverwalter oder Insolvenzverwalter besondere Herausforderungen und neue Aufgaben dar. Die neuen Herausforderungen werden in der Praxis erhebliche Aufwendungen u.a. Recherchen und Analysen zu Grundstücken, Art, Beschaffenheit, Historie usw. auslösen. Jedenfalls zwingen die Erklärungspflichten zur Beschaffung einer großen Datenmenge, die in der benötigten Form in vielen Fällen aus tatsächlichen Gründen einfach noch nicht vorliegen wird.

Unterschiedliche Ländermodelle verkomplizieren die Situation

Für viele Unternehmen, deren Grundbesitz sich über mehrere Bundesländer erstreckt, erschweren die unterschiedlichen Ländermodelle die Situation weiter. Das gilt auch für komplexe Einheiten, etwa Garagenanlagen im Einzel- oder Sondereigentum an den Garagen. Die zusätzlichen Aufgaben können im Einzelfall tatsächlich gar nicht erfüllt werden, jedenfalls nicht immer zeitgerecht und/oder vollständig. Selbst wenn die/der Verpflichtete die zusätzlichen Aufgaben übernimmt, Recherchen, Analysen und Berechnungen anstellen und Erklärungen abgeben würde, wird dieses eine über die Verwaltung der Immobilie hinausgehende Tätigkeit sein, welche den Aufwand enorm erhöht.

Externe Beauftragung an Experten – kostenpflichtig

Eine sachgerechte Schätzung scheidet hier wohl aus. Die/der Eigentümer:in kann und darf aber externe Experten/Dienstleister mit den Recherchen, Analysen, Auswertungen und Vorbereitung der Erklärungen beauftragen. Damit entstehen Kosten, die aber bei Einkünften aus V+V oder gewerblicher Vermietung abzugsfähig sind.

Die Gefahr unrichtiger und/oder unvollständiger Angaben ist offenkundig. Bußgeldandrohungen oder gar Bußgeldbescheide der Finanzämter wären keine angemessene Sanktion. Aus Vorsichtsgründen sollte bzgl. der Erklärungspflichten frühzeitig Fristverlängerung beantragt werden, um Bußgelder zu vermeiden. Ggf. sollten die Verlängerungsanträge wiederholt werden.

Vermutlich werden viele Eigentümer:innen externe Experten oder Berater einschalten müssen, um den neuen Aufgaben gerecht zu werden.

Rechtsanwalt Dr. Marc d’Avoine

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