CO2-Aufschlag für Lkw-Maut: Klimaschutz versus Krise von Transport und Logistik

9. Dezember 2023

CO2-Aufschlag ab 01.12.2023 für Lkw-Maut belastet die Logistikbranche

Klimaschutz versus Krise von Transport und Logistik

Die Reform der Lkw-Maut im Bundesfernstraßengesetz mit Koppelung der Maut an den CO2-Ausstoß ist ein Schritt Richtung Klimaschutz. Die Bundesregierung will damit den Umstieg auf klimaneutrale Antriebe beschleunigen. Die Reform führt aber auch zu Belastungen und Krisenmomenten für die Logistikbranche. Und die hat ohnehin zahlreiche Probleme. Die Branche leidet unter Fahrermangel und unbesetzten Stellen in anderen Firmenbereichen. Ferner klagt sie über fehlende Azubis und auch über Mängel in der Infrastruktur. Jetzt kommt noch die neue Maut mit CO2-Zuschlag.

Richtig ist, dass Nutzfahrzeuge etwa ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen im Verkehrssektor verursachen. Richtig ist aber auch, dass die Regelungen im Bundesfernstraßenmautgesetz mit div. Änderungen erhebliche Belastungen für die Unternehmen im Transport und Logistikwesen verursachen.

1. Neuregelungen um Bundesfernstraßenmautgesetz:

Quelle:
Für mehr Klimaschutz im Güterverkehr | Bundesregierung

Einführung eines CO2-Aufschlags: Zum 1. Dezember 2023 wird für die Kosten verkehrsbedingter CO2-Emissionen eine neue Mautkomponente („Mautteilsatz“) eingeführt. Diese besteht aus einem CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2. Damit setzen sich die Mautsätze künftig aus vier Kostenteilen zusammen: Kosten der Infrastruktur, der Luftverschmutzung, der Lärmbelastung und des CO2-Ausstoßes.

Zweckbindung der Mauteinnahmen: Die Verwendung der Mauteinnahmen wird neu geregelt. Die Mauteinnahmen sind zweckgebunden für die Verbesserung der Bundesfernstraßen-Infrastruktur sowie für Maßnahmen im Mobilitätsbereich zu verwenden – mit Schwerpunkt auf den Bundesschienenwegen.

Mautpflicht für Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen: Zum 1. Juli 2024 wird die Mautpflicht auf Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen tzGm (technische zulässige Gesamtmasse) ausgedehnt. Handwerkerfahrzeuge unter 7,5 Tonnen tzGm sind von der Mautpflicht befreit.

Emissionsfreie Fahrzeuge: Bis zum 31. Dezember 2025 sind emissionsfreie Fahrzeuge von der Mautpflicht befreit. Ab dem 1. Januar 2026 zahlen sie einen um 75 Prozent reduzierten Mautteilsatz für die Kosten der Infrastruktur – zuzüglich der Mautteilsätze für Luftverschmutzung und Lärmbelastung.

Die kalkulierten Mehreinnahmen sind gewaltig. Das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr rechnet durch die CO2-Differenzierung im Bereich der Lkw ab 7,5 Tonnen mit Mehreinnahmen von 26,6 Milliarden Euro von 2024 bis 2027. Die Mehreinnahmen durch die Mautausdehnung auf Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen sollen sich von 2024 bis 2027 auf 3,9 Milliarden Euro belaufen. Davon entfallen 1,8 Milliarden Euro auf die CO2-Differenzierung. Nicht berechnet werden hingegen die Belastungen für die Unternehmer. Div. Transporteure und Logistiker meinen, „LKW finanzieren die Schiene“, so der Bundesverband Spedition und Logistik DSLV.

Null-Emissions-Logistik: CO2-Aufschlag führt zur Verdoppelung der LKW-Maut | trans.info

2. Höhere Maut löst höhere Logistikkosten aus

Die Neuregelungen im Bundesfernstraßenmautgesetz belastet Unternehmen im Transport- und Logistikwesen. Nach Berechnungen der IHK Gera kommen auf die Wirtschaft damit zusätzliche Kosten von jährlich 7,62 Mrd. Euro zu.

Unbestritten muss die höhere Maut zu einem erheblichen Anstieg der Frachtraten im Straßengüterverkehr führen, der am Markt in den Lieferketten auf Industrie, Handel und am Ende auf die Verbraucher überwälzt wird, so der Verband. Aber nicht alle Unternehmen werden automatisch neue Preise durchsetzen können. Insofern wird die neue Maut Erträge mindern und u.U bereits enge Liquidität der Unternehmen angreifen. Dann ist der Weg zu einer Krise des Unternehmens nicht mehr weit.

https://trans.info/de/co2-aufschlag-doppelte-lkw-maut-333975

3. Werkzeuge für LKW / Sanierungswerkzeuge für die Transportbranche

LKW können repariert werden. Kränkelnde Unternehmen können saniert werden. Und dafür gibt es zahlreiche Werkzeuge:

Nach dem „Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) aus 2013 war das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFOG) zum 01.01.2021 die nächste „große Sanierungsreform“. Das SanInsFOG beinhaltet neben dem „Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) weitreichende gesetzliche Anpassungen im Bereich der InsO und des COVInsAG. Die Restrukturierungsmaßnahmen nach dem dt. „Schutzschirm“ gemäß § 270d InsO und der präventive Restrukturierungsrahmen nach StaRUG sind inzwischen im offensiven Wettbewerb mit dem englischen „Scheme-of-Arrangement“ und dem niederländischen „Wet Homologatie Onderhands Akkoord“ (WHOA).

4. Erfahrungen mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen seit 01.01.2021

Der präventive Restrukturierungsrahmen ist das Kernstück des StaRUG und wird inzwischen mehr und mehr angewandt, nicht nur im „Leoni-Verfahren“. Es handelt sich um ein (vorinsolvenzliches) gerichtsarm ausgestaltetes Sanierungsinstrument. Strukturell siedelt sich der Restrukturierungsrahmen zwischen dem Insolvenzplanverfahren, welches ebenso einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger bedarf, und der außergerichtlichen Sanierung, die nur im Konsens aller Gläubiger erfolgen kann, an.

Der Restrukturierungsrahmen steht allen Unternehmen offen, die „nur“ drohend zahlungsunfähig i.S.v. § 18 InsO sind. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das SanInsFOG bestimmt den Prognosezeitraum auf regelmäßig 24 Monate.

Das Restrukturierungsvorhaben wird maßgeblich durch den Restrukturierungsplan (§§ 4 ff. StaRUG) geprägt, wobei die Planinitiative vom Schuldner ausgehen muss. Dieser hat das Restrukturierungsvorhaben gem. § 17 Abs. 1 StaRUG nach Maßgabe des vorgelegten Plans durch eigenständige Verhandlungen mit seinen Gläubigern voranzutreiben. Etwaige Vollstreckungs- bzw. Verwertungssperren bedürfen jedoch einer gerichtlichen Anordnung. Zudem kann beim zuständigen Restrukturierungsgericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, dem jedoch, anders als im Insolvenzverfahren, nur eine moderierende Aufgabe zukommt. Das Planangebot des Schuldners steht gem. § 18 StaRUG unter der Bedingung, „dass sämtliche Planbetroffene zustimmen oder der Plan gerichtlich bestätigt wird“. Um zu verhindern, dass ein Restrukturierungsvorhaben an dem Widerstand einzelner, z.T. geringfügig tangierter, Gläubiger scheitert, werden die Planbetroffenen entsprechend ihres rechtlichen Status und dem Umfang ihrer Gläubigerstellung in Gruppen eingeordnet, die dann repräsentativ an der Abstimmung über das Planangebot des Schuldners teilnehmen. Innerhalb der einzelnen Gruppen genügt gem. § 25 Abs. 1 StaRUG zur Planzustimmung eine qualifizierte Gläubigermehrheit von 75 Prozent.

5. Aktuelle Fassung der Insolvenzgründe

Durch das StaRUG erhält der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) eine neue Relevanz. Dieser Tatbestand ist von dem der Überschuldung (§ 19 InsO) abzugrenzen. Die Tatbestände haben mit 24 bzw. 12 Monaten unterschiedlich lange Prognosezeiträume. Der drohenden Zahlungsunfähigkeit, die zwar das Recht zur Stellung eines Insolvenzantrags begründet, nicht jedoch die Pflicht hierzu, wurde ein Prognosezeitraum hinzugefügt, welcher sich regelmäßig auf 24 Monate beläuft. Das ist bei der Überschuldung nach § 19 InsO anders; dort wurde der für die Fortführungsprognose dort maßgebliche Zeitraum auf 12 Monate reduziert. Zu betonen ist, dass bei Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eine (strafbewehrte) Insolvenzantragspflicht besteht.

Ferner bleibt die Pflicht, den Insolvenzantrag „ohne schuldhaftes Zögern“ zu stellen. Demgegenüber wurde die „Höchstfrist“, die sich „vor SanInsFoG“, ebenso wie bei der Zahlungsunfähigkeit, auf drei Wochen belief, bei Überschuldung auf sechs Wochen verlängert, § 15a Abs. 1 S. 2 InsO.  Zu beachten ist, dass eine Ausreizung dieser Frist nur zulässig ist, wenn die realistische Chance besteht, die Überschuldung innerhalb von sechs Wochen abzuwenden. Anderenfalls ist bereits vor „Fristablauf“ unverzüglich ein Insolvenzantrag zu stellen.

6. WICHTIG — HAFTUNG: Zahlungsverbote nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, § 15 b InsO

Die Insolvenzverschleppungshaftung des § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a InsO ist für jeden Geschäftsleiter wichtig und mitunter gefährlich. Im Wege des SanInsFOG wurden spezialgesetzlich verstreuten Zahlungsverbote ebenso wie die Ersatzpflicht im Falle eines Verstoßes in Form des § 15b InsO einheitlich und zentral geregelt. Wenngleich die jüngere Rechtsprechung des BGH die Position des Geschäftsleiters stärkt, birgt eine Betriebsfortführung in der Krise dennoch ein hohes Risiko. Zahlungen, vor allem auf – ungesicherte – Dienstleistungen müssen stets genau überlegt werden. Einzelne Zahlungen könnten trotz Insolvenzreife nach § 15b „privilegiert“ sein.  Es kommt auf den Einzelfall an.

Während der Insolvenzantragsfrist des § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO gilt die  Zahlungsprivilegierung gem. § 15 b Abs. 2 S. 2 InsO nur, wenn parallel dazu Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters getätigt werden. Eine solche Maßnahme könnte beispielsweise die Beauftragung eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts sein. An der Regelung des § 15b Abs. 2 S. 2 InsO lässt sich die allgemeine Intention des Gesetzgebers erkennen. Im Vordergrund steht die Entschärfung der Geschäftsführerhaftung, die jedoch mit Blick auf die ihr entgegenstehenden berechtigen Drittinteressen einer Einschränkung bedarf. Der Gesetzgeber belässt dem Geschäftsführer auch in diesem schon weit fortgeschrittenen Stadium der Unternehmenskrise die operative Handlungsfähigkeit.  Damit geht er ein hohes Risiko zulasten der Gläubiger ein. Zur Eindämmung dieses Risiko wird von dem Geschäftsführer eine besondere Sanierungsbereitschaft erwartet.

Die früher spezialgesetzlich geregelte Erstattungspflicht im Falle einer unzulässigen Zahlung der Geschäftsführung findet sich nunmehr in § 15 b Abs. 4 S. 1 InsO wieder. Sie wurde ebenfalls zwecks Schaffung von Rechtssicherheit und Transparenz näher konkretisiert. Im Gegensatz zu den alten spezialgesetzlich geregelten Erstattungspflichten regelt § 15 b Abs. 4 S. 2 InsO auch den in der Praxis sehr bedeutsamen Fall einer Zahlung, die zwar für die Gläubiger verwertbar ist, deren Gegenwert aber nicht äquivalent ist. Dies begründet keine vollumfängliche, sondern nur eine partielle auf den Differenzbetrag beschränkte Schadensausgleichspflicht. Auffällig ist hier insbesondere die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung. Ebenso wie in § 130 a HGB a.F. und anders als im § 64 GmbHG a.F. spricht der Gesetzgeber von einem „Schaden“. Dies suggeriert, dass der Erstattungsanspruch nunmehr als Schadensersatzanspruch zu klassifizieren ist, sodass er einer D&O Versicherung unterfällt. Dies wird mit Blick auf die Haftung des Geschäftsleiters im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren gem. § 276 a Abs. 2, Abs. 3 InsO untermauert.

7. Fazit und Ausblick

Die Reform der Lkw-Maut mit Koppelung des CO2-Ausstoßes an die Maut bedeutet Klimaschutz. Sie führt aber auch zu Belastungen und evtl. einer Krise für Logistik- und Transportunternehmen. Deren zahlreiche Probleme können nicht sämtlich ad hoc gelöst werden. Aber ESUG und StaRUG geben diverse Möglichkeiten für Unternehmer, Gesellschafter und Geschäftsleiter. Neben der außergerichtlichen Sanierung bestehen umfangreiche Optionen einer Sanierung unter Einbindung der Gläubiger – mit und ohne Gericht. Festzuhalten ist, dass es für den sanierungswilligen Unternehmer zahlreiche Varianten gibt. In jedem Fall bedarf es profunder Überlegungen des Unternehmers und eines erfahrenen „Lotsen“ im – nicht ungefährlichen – Fahrwasser einer Krise.

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Ist ChatGPT Plus steuerlich absetzbar?

20. November 2023

Der Name ChatGPT ist inzwischen vielen bekannt. Dahinter steckt ein sog. „Large Language Modul“ (auch LLM). Das ist ein Programm, was künstliche Intelligenz einsetzt, um mit Nutzern über textbasierte Nachrichten zu kommunizieren (stark vereinfacht).

GPT steht für Generative Pre-trained Transformer.[1] Neben ChatGPT gibt es inzwischen auch alternative Anbieter wie Bing, DeepAI, Elicit, Genie Chat, etc. Diese sind weitestgehend – wie auch das reguläre ChatGPT – kostenlos.[2] Das kostenpflichtige Abonnement heißt ChatGPT Plus und kostet monatlich $ 20[3], also pro Jahr $ 240. Die Vorteile zur kostenfreien Variante sind nach Angaben des Entwicklers bessere Verfügbarkeit, schnellere Verarbeitung, Spracherkennung, etc.[4] Die Einsatzmöglichkeiten können – auch bei der täglichen Arbeit – sehr vielseitig sein.

Abzug als Werbungskosten?

Da drängt sich die Frage auf, ob Arbeitnehmer/innen diese und ggf. auch andere Kosten für derartige Programme, als Werbungskosten steuerlich absetzen können. Dafür sollte zunächst einmal geklärt werden, was Werbungskosten überhaupt sind. Definiert werden diese in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG:

„Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“

Die Begriffe „Erwerbung, Sicherung, Erhaltung“ lassen sich nicht immer genau voneinander trennen. Sie kennzeichnen lediglich übereinstimmend, dass die Aufwendungen „zur“ Einnahmeerzielung dienen müssen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass das „und“ auch durch ein „oder“ ersetzt werden könnte; es reicht also aus, wenn die genannten Begriffe alternativ vorliegen.

Klartext: Zu den Werbungskosten gehören alle Aufwendungen, die als Arbeitnehmer/In ausgegeben werden, um Geld zu verdienen. Dazu gehören ganz klassisch Kosten für Bewerbungsfotos oder Fortbildungen. Wichtig dabei ist, dass die jeweiligen Arbeitnehmer/Innen diese auch getragen und nicht z.B. (steuerfrei) ersetzt bekommen haben.

ChatGPT Plus als Arbeitsmittel

Werbungskosten sind auch Aufwendungen für Arbeitsmittel, zum Beispiel für Werkzeuge und typische Berufskleidung, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Arbeitsmittel alle – auch immaterielle – Gegenstände, die ausschließl. oder zumindest weitaus überwiegend der Einnahmeerzielung dienen[5]. Also grundsätzlich auch kostenpflichtige Programme, welche über ein Abo wie ChatGPT Plus genutzt werden, soweit diese bei der Bewältigung der alltäglichen Arbeit unterstützen. Dann läge ein Zusammenhang mit der Einnahmeerzielung vor.

Einsatzmöglichkeiten als Arbeitnehmer

Das Einsatzspektrum von LLM sind derart umfangreich, dass eine vollständige Darstellung kaum möglich ist. Der Kreativität ist wahrlich keine Grenze gesetzt. Ob interne E-Mails vorformuliert, Schreiben erstellt, Werbebriefe entworfen oder stichwortartige Zusammenfassungen umfassender Korrespondenz. Inzwischen können sogar ganze Bücher mittels künstlicher Intelligenz geschrieben[6] oder auf Anleitung, Bilder und Images erstellt werden.

Möglich sind auch Übersetzungen in andere Sprachen oder erste rechtliche Einschätzungen. In den Fällen bleibt die Qualität der Antworten stets durch Experten zu überprüfen. Aber erste Vorarbeiten können Programme wie ChatGPT inzwischen relativ gut leisten.

Ob der Einsatz von LLM aber tatsächlich eine Bereicherung ist, bleibt stets im konkreten Einzelfall zu überprüfen. Bei vielen Bürotätigkeiten dürfte der Einsatz von LLM tatsächlich schon jetzt Erleichterungen bringen und die Effektivität steigern. Dann müsste auch die steuerliche Berücksichtigung als Werbungskosten gegeben sein.

Dual-Use

Aber Achtung: Voraussetzung für eine volle Absetzbarkeit ist eine ausschließliche oder zumindest weitaus überwiegend Verwendung für die Einnahmeerzielung. Das bestimmt sich nach dem tatsächlichen Verwendungszweck (bzw. die beabsichtigte tatsächl. Verwendung).[7] Wird ein Gegenstand für berufliche und für private Zwecke verwendet, spricht man von sog. „Dual-Use“.

Wird das Programm also angeschafft, um z.B. auch für private Belange, z.B. E-Mails an Freunde und Bekannte, Vereinsarbeit, Ehrenämter, etc., zu verrichten, kann die Absetzung insoweit nicht vorgenommen werden.

Die Zuordnung bereitet üblicherweise dann keine Probleme, wenn schon aus dem objektiven Charakter des Gegenstands (z. B. bei Werkzeug) dessen Bezug zur Erwerbstätigkeit deutlich wird; in diesem Falle spräche eine Vermutung für die erwerbsbezogene Verwendung. Vertretbar wäre aber, dass diese Vermutung bei einem LLM gerade nicht greift, da die theoretischen Einsatzmöglichkeiten derart umfangreich sind, dass ein Einsatz ohne Weiteres auch im Privatleben Vorteile haben kann.

In Dual-Use-Fällen kann eine Aufteilung (z.B. 50/50) in Betracht kommen. Erst wenn im Einzelfall gar nicht nachprüfbar oder nicht klar erkennbar ist, ob der Gegenstand mehr der Erwerbstätigkeit oder mehr der privaten Lebensführung dient, kann dessen objektiver Charakter den Ausschlag geben. Ob ChatGPT Plus dann dem beruflichen oder privaten Bereich zuzuordnen wäre, ist dann eine Frage der Tatsachenwürdigung durch die Finanzverwaltung oder das Finanzgericht.[8]

Arbeitnehmer-Pauschbetrag

Ein Hinweis zum „Arbeitnehmer-Pauschbetrag“. Dieser wird bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt und beträgt im Jahr 2023 € 1.230. Allein mit den jährlichen Kosten für z.B. ChatGPT Plus in Höhe von $ 240,00[9] würde der Pauschbetrag daher nicht überstiegen werden. In dem Fall kann in der Anlage N der Steuererklärung darauf verzichtet werden, diese als einzelne Ausgaben einzutragen. Der Pauschbetrag dient gerade der Vereinfachung.

Üblicherweise haben Arbeitnehmer/innen aber auch noch weitere Aufwendungen, die als Werbungskosten abgesetzt werden können. Wird der Pauschbetrag insgesamt überstiegen, ist auch die Absetzbarkeit von Kosten für z.B. ChatGPT Plus wieder interessant.

Datenschutz

Ob der Einsatz mit der Arbeitgeber/In abgesprochen werden sollte und insb. welche datenschutzrechtlichen Probleme mit der Verwendung von z.B. Kundendaten einhergehen, ist hier nicht näher behandelt. Nur so viel: Auf die Verwendung von sensiblen Daten (Klarnamen, Anschriften, Geburtsdaten, etc.) sollte in jedem Fall verzichtet werden.

Selbstständige: Berücksichtigung als Betriebsausgaben

Übrigens: Sollten Gewerbetreibende oder Freiberufler ChatGPT Plus im Rahmen ihres Betriebs nutzen, dann gilt nicht der Werbungskostenabzug, sondern die Regelung über Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG:

„Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.“

Maßgeblich ist die betriebliche Veranlassung. Für den Begriff der Betriebsausgaben kommt es dann nicht darauf an, ob die Aufwendungen für den Betrieb des Steuerpflichtigen notwendig, zweckmäßig oder üblich waren. Im Gegenzug bestehen gerade für Betriebsausgaben eine Vielzahl von (Einzel-) Aufzeichnungspflichten.

Fazit

LLMs und die damit verbundene künstliche Intelligenz hat Eingang in die Arbeitswelt gefunden und ist inzwischen bei einigen Arbeitnehmer/Innen fester Bestandteil des beruflichen Alltags. Bei Vorliegen der Voraussetzungen sprechen keine Gründe dagegen, Kosten für die Nutzung dieser oder anderer Programme als Werbungskosten in Abzug zu bringen. Das bedeutet einen steuerlichen Vorteil.

Bei Zweifeln empfiehlt aber auch ChatGPT „mit einem Steuerberater oder einem Fachmann für Steuerfragen zu sprechen, um eine genaue Einschätzung zu erhalten, ob die monatlichen Kosten von ChatGPT als Werbungskosten absetzbar sind.“[10]

[1] zu deutsch: „Generativ vortrainierter Transformer“.

[2] abrufbar unter: https://openai.com/blog/chatgpt (zuletzt aufgerufen: 19.11.2023)

[3] Stand 19.11.2023. Preiserhöhungen sind in Zukunft nicht auszuschließen.

[4] https://openai.com/gpt-4 (zuletzt aufgerufen: 19.11.2023).

[5] BFH Urteil v. 30.6.10, Az. VI R 45/09, Tz. 10 f.; BFH Urteil v. 20.5.10, Az. VI R 53/09, Tz. 9 f.; BFH Urteil v. 16.1.19, Az. VI R 24/16, Tz. 11.

[6] Pierre Daniel Wittmann: Emma und ihre Reise durch die digitale Welt, Quelle: https://www.amazon.de/Emma-ihre-Reise-durch-digitale-ebook/dp/B0CFT24Y4V/ref=sr_1_1?crid=2SFXBIHZ58ZO5&keywords=emma+und+ihre+reise+durch+die+digitale+welt&qid=1700131143&sprefix=emma+und+ihre+re%2Caps%2C129&sr=8-1 (zuletzt aufgerufen am 19.11.23)

[7] BFH Urteil v. 20.5.10, Az. VI R 53/09, Tz. 10 f.

[8] BFH Urteil v. 10.7.12, Az. VI B 75/12.

[9] umgerechnet ca. € 220,00 (Stand: 19.11.2023)

[10] Teil der Antwort auf die Frage: Sind Kosten für ChatGPT steuerlich als Werbungskosten absetzbar? (Stand 19.11.2023)

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Neues Finanzmarkt­digitalisierungsgesetz (FinmadiG)

7. November 2023

Regierungsentwurf vom 23.10.2023

Mit dem Gesetzentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes ( ZuFinG) hatte die Regierung im Juni 2023 ein Paket zur Änderung  einer Vielzahl von Gesetzen auf den Weg gebracht, dessen Verabschiedung im Bundestag Ende 2023 zu erwarten ist. Damit soll die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes gestärkt und die Attraktivität des deutschen Finanzstandortes erhöht werden. 

Der nunmehrige Referentenentwurf zum FinmadiG fasst verschiedene Gesetze zur Durchführung der Europäischen Verordnungen MiCA (Markets in Crypto Assets), der Neufassung der EU-Geldtransferverordnung (Transfer of Funds Regulation) sowie der Durchführung bzw. Umsetzung des europäischen DORA-Pakets (Digital Operational Resilience Act (Verordnung und Richtlinie) nebst Begründung (Stand: 23.10. 2023), zusammen. Der Entwurf zum FinmadiG beinhaltet Änderungen  einiger – noch nicht in Kraft getretener – Regelungen des ZuFinG, das den Umgang mit Kryptowerten in deren Insolvenz klarstellt und den Schutz des von Kryptoverwahrern verwahrten Kundenvermögens konkretisiert.

FinmadiG ergänzt Zukunftsfinanzierungsgesetzes ( ZuFinG)

Auch der Entwurf des FinmadiG zielt auf eine „Stärkung des Vertrauens in neue digitale Finanzinfrastrukturen“ und will die „digitale Resilienz erhöhen“. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung sind Regeln geboten, um den gestiegenen Geldwäscherisiken entgegenzuwirken, welche unzweifelhaft auch mit Kryptowerten in Zusammenhang gebracht werden.

Zudem wird mit dem vorliegenden Entwurf die bisherige nationale Regulierung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen in Hinblick auf Kryptowerte, namentlich im Kreditwesengesetz (KWG), in den neuen Rechtsrahmen der Verordnung (EU) 2023/1114 überführt und dort an die Besonderheiten der Kryptomärkte angepasst. Institute, die derzeit nach nationalem Recht Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen in Bezug auf Kryptowerte betreiben bzw. erbringen, sollen möglichst einfach in diesen neuen Rechtsrahmen überführt werden.

Zur Durchführung der Verordnung (EU) 2023/1113 erfolgen Anpassungen im Geldwäschegesetz (GwG) in Bezug auf Kryptowertetransfers. Dazu gehört insbesondere die Festlegung der Aufsichtszuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben durch die Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen.

Einzelne Gesetze

Eines der neuen Einzelgesetze im Rahmen des FinmadiG ist das Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KMAG-E). Dieses regelt den Handel auf Handelsplattformen für Kryptowerte und Verhinderung von Marktmissbrauch auf Handelsplattformen für Kryptowerte, etwa durch:

  • § 30 KMAG-E: Verfolgung von Marktmissbrauch
  • § 32 KMAG-E: Anzeige straftatbegründender Tatsachen
  • § 33 KMAG-E: Aussetzung des Handels und Ausschluss von Kryptowerten vom Handel; Maßnahmen in Bezug auf mit dem Kryptowert verbundene Derivate
  • § 34 KMAG-E: Bekanntmachung marktrelevanter Informationen zum Handel zugelassener Kryptowerte

Insolvenzregelungen 

Für die Insolvenz ist § 43 Abs. 1 KMAG-E zu nennen:

„(1) Wird ein Institut zahlungsunfähig oder tritt Überschuldung ein, so haben die Mitglieder des Leitungsorgans dies der Bundesanstalt unter Beifügung aussagekräftiger Unterlagen unverzüglich anzuzeigen; die Mitglieder des Leitungsorgans haben eine solche Anzeige auch dann vorzunehmen, wenn das Institut voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (drohende Zahlungsunfähigkeit). Soweit diese Personen nach anderen Rechtsvorschriften verpflichtet sind, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, tritt an die Stelle der Antragspflicht die Anzeigepflicht nach Satz 1. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts findet im Falle der Zahlungsunfähigkeit, der Überschuldung oder unter den Voraussetzungen des Satzes 5 auch im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit statt. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Instituts kann nur die Bundesanstalt stellen. Im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit darf die Bundesanstalt den Antrag jedoch nur mit Zustimmung des Instituts stellen.“

Die Regelung in § 43 Abs. 1 KMAG-E wird begrüßt. Allerdings bedarf es der Konkretisierung der Bezeichnung „unter Beifügung aussagekräftiger Unterlagen“. Damit sollten sich die Verfasser des Entwurfs bzw. die Regierung noch zu beschäftigen haben.

§ 43 Abs. 2 KMAG-E sieht vor:

„(2) Vor der Bestellung des Insolvenzverwalters hat das Insolvenzgericht die Bundesanstalt anzuhören. Der Eröffnungsbeschluss ist der Bundesanstalt gesondert zuzustellen. Das Insolvenzgericht übersendet der Bundesanstalt alle weiteren, das Verfahren betreffenden Beschlüsse und erteilt auf Anfrage Auskunft zum Stand und Fortgang des Verfahrens. Die Bundesanstalt kann Einsicht in die Insolvenzakten nehmen.“

Auch diese Regelung ist grundsätzlich zu begrüßen, allerdings sollte sie ergänzt werden, ebenso § 43 Abs. 3 KMAG-E.

„(3) Der Insolvenzverwalter informiert die Bundesanstalt laufend über Stand und Fortgang des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Überlassung der Berichte für das Insolvenzgericht, die Gläubigerversammlung oder einen Gläubigerausschuss. Die Bundesanstalt kann darüber hinaus weitere Auskünfte und Unterlagen zum Insolvenzverfahren verlangen.“

Eine Ergänzung um den „eigenverwaltenden Schuldner sowie den Sachwalter“ wird diskutiert.  

 Verweis auf das Kreditwesengesetz

§ 43 Abs. 4 KMAG-E verweist auf §§ 46c bis 46g mit Ausnahme von § 46d des Kreditwesengesetzes.

§ 44 KMAG-E regelt die Aussonderung bei Kryptoverwahrung und steht im Kontext zu §§ 26b und 46i KWG:

„(1) Der im Rahmen der Kryptoverwahrung für einen Kunden verwahrte Kryptowert gilt als dem Kunden gehörig.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für den dem Kunden zustehenden Anteil an Kryptowerten in gemeinschaftlicher Verwahrung sowie für isoliert verwahrte private kryptographische Schlüssel.

(3) Stimmt der Kunde im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Instituts einer Aussonderung im Rahmen einer Übertragung des vom Institut verwahrten Gesamtbestands auf ein anderes Institut, das Kryptoverwahrung erbringt, nicht zu, trägt er die Kosten der Aussonderung. Dies gilt nicht, wenn die Bedingungen, zu denen das andere Instituts [sic] eine Fortführung des Verwahrverhältnisses anbietet, für den Kunden unzumutbar sind. Die Sätze 1 und 2 sind auf die Übertragung wesentlicher Teile des verwahrten Gesamtbestands entsprechend anzuwenden.“

In der Umsetzung soll § 46i KWG als Teil des ZuFinG wie folgt geändert werden:

„a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Das im Rahmen eines qualifizierten Kryptoverwahrgeschäfts für einen Kunden verwahrte kryptographische Instrument gilt als dem Kunden gehörig. Das gilt nicht, wenn der Kunde die Einwilligung zu Verfügungen über den verwahrten Wert für Rechnung des Instituts oder Dritter erteilt hat.“

b) In Absatz 2 wird das Wort „Kryptowerten“ durch die Wörter „kryptographischen Instrumenten“ ersetzt.

c) In Absatz 3 Satz 1 wird vor dem Wort „Kryptoverwahrgeschäft“ das Wort „qualifizierte“ eingefügt.“ [1]

 Wertung und Fazit 

Die evtl. Aussonderung bei Kryptoverwahrung in der Insolvenz des Verwahrers (Dienstleister, Intermediär) wird intensiv erörtert und kontrovers diskutiert. Der Finanzmarkplatz Deutschland braucht Sicherheit und verlässliche Regeln für die Tokenuser. Das greift der Gesetzgeber auf und baut eine gesetzliche Vermutung in §§ 26b und 46i KW ein. Zu hoffen bleibt, dass weitere Insolvenzen – wie von FTX u.a. – ausbleiben.

Wenn es zu einer Insolvenz kommt, ist der Tokenuser künftig besser geschützt, weil er ein sog. „Aussonderungsrecht“ erhält. Der Aussonderungsvorgang auf ein anderes Institut verursacht jedoch – auch im Wege der Übertragung nach § 46i Abs. 3 KWG-E – Kosten. Wer die wann zu tragen hat, hängt davon ab, auf welchen (neuen) Dienstleister die Werte übertragen werden sollen. Das dürfte in einem evtl. Insolvenzfall u.U. erhebliche Kosten verursachen, was die Masse schmälern und eine Quote kürzen könnte.

Im Ergebnis ist der Entwurf insgesamt zu begrüßen, weil er vorhandene Regelungslücken schließt. Positiv für den Marktplatz ist auch, dass die BaFin über das KMAG weitreichende Befugnisse erhält, etwa Kontroll- und Aufsichtsrechte. Weitere Gesetze und Regelungen in diesem dynamischen Feld sind zu erwarten.

[1] Vgl. S. 72 des Entwurfes.

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Zum sofortigen Anerkenntnis bei gleichzeitigem Pflichtteilsstundungsantrag

3. November 2023

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied mit Beschluss vom 05.07.2023, I-7 W 46/23, soweit ersichtlich als erstes OLG überhaupt, dass ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO nicht in Betracht kommt, wenn der Erbe den eingeklagten Pflichtteilsanspruch zwar sofort anerkennt, jedoch zugleich Stundung beantragt, § 2331a BGB. Ein wirksames Anerkenntnis, mit dem der geltend gemachte Anspruch dem Grunde und der Höhe nach zugestanden wird, muss (so das OLG Düsseldorf) gegenüber Gericht und Prozessgegner unmissverständlich, unbedingt und in der Regel vorbehaltlos abgegeben werden.

Wir hatten für unsere Mandantin einen unstreitigen Mindestbetrag auf ihren Pflichtteil eingeklagt, da der Alleinerbe diesen außergerichtlich nicht zahlte. Der Alleinerbe verwies u. a. darauf, dass der Nachlass im Wesentlichen aus einer Immobilie mit 3 Wohnungen bestehe, die zunächst verkauft werden müsse. Dies könne mehrere Monate dauern. Zudem müsse er als Alleinerbe zunächst als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden. Unsere pflichtteilsberechtigte Mandantin als einzige Tochter der Erblasserin möge sich daher in Geduld üben.

Da die Zahlungsfrist fruchtlos verstrich, reichten wir Klage beim Landgericht Wuppertal auf Zahlung eines unstreitigen Teilbetrages in Höhe von € 200.000,00 ein. Der Alleinerbe erkannte diesen Betrag unter Protest gegen die Kostenlast an und beantragte zugleich die Stundung des Betrags, da der Nachlass nicht liquide sei und die Immobilie erst verkauft werden müsse, die er als vormaliger Mieter und jetziger Eigentümer selbst bewohne. Dieser Pflichtteilsstundungsantrag war grds. möglich, denn dessen sachlicher Anwendungsbereich wurde im Rahmen der Erbrechtsreform 2010 vergrößert. Somit bestehen bei illiquiden Nachlässen bessere rechtliche Möglichkeiten seitens der Erben, für die Zahlung auf den Pflichtteil Zeit zu gewinnen. Gleichwohl wird bis heute in der anwaltlichen Praxis zurückhaltend über die Stundungsmöglichkeit beraten und noch weniger von ihr Gebrauch gemacht. Dies verwundert, da bereits die bloße Ankündigung eines Stundungsantrags den Druck zum Abschluss eines (außergerichtlichen) Vergleichs wegen des Pflichtteilsanspruchs als sofort fälligen Geldanspruch erhöht („denn schnelles Geld ist gutes Geld).

Im vorgenannten Klageverfahren erließ das Landgericht ein Anerkenntnisurteil über € 200.000,00 und entschied, dass die Kosten des Rechtsstreits unsere Mandantin als Klägerin tragen müsse. Zur Begründung führte das Landgericht u. a. aus:

„(…) Dem Beklagten musste ein angemessener Zeitraum zur Ermittlung (des Werts) des Nachlasses zugestanden werden, bevor von ihm die Zahlung des Pflichtteils (nicht bloß die Auskunft über den Nachlass) verlangt werden konnte. (…) Dies gilt insbesondere für einen Zahlungsanspruch, den der Beklagte nicht ohne weiteres – wie dargelegt – aus dem eigenen Vermögen bestreiten kann. Der Beklagte hat demgegenüber seine Bestrebungen zum Verkauf der Immobilie aufgezeigt. (…)“

Das Landgericht warf der Klägerin sogar vor, einen „Klageüberfall“ begangen zu haben; wobei es sich hierbei weniger um einen juristischen Fachausdruck handeln dürfte.

Diese (Rechts-) Ausführungen konnten wir nicht nachvollziehen, denn das LG schränkte den eindeutigen Anwendungsbereich des § 2317 Abs. 1 BGB („Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall.“) stark ein. Daher legten wir gegen die Kostenentscheidung Beschwerde beim OLG ein.

Das OLG Düsseldorf schob der Einschränkung des Pflichtteils einen Riegel vor. Der Senat hob im Gegenteil die Verschleppungsabsicht des Erben hervor und betonte das Titulierungsinteresse unserer pflichtteilsberechtigten Mandantin. Dieser müsse z. B. die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek ermöglicht werden (die auch nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils sofort veranlasst wurde). Das OLG stellte klar, dass ein wirksames Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO unbedingt und vorbehaltlos erfolgen muss. Daher musste der beklagte Alleinerbe sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten tragen (insgesamt rd. € 21.000,00).

Diese begrüßenswerte obergerichtliche Rechtsprechung dürfte auch auf entsprechende Fälle zur Stundung des Zugewinnausgleichsanspruches nach § 1382 BGB Anwendung finden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Die (Pflichtteils-) Stundung sollte in der anwaltlichen Beratung einen höheren Stellenwert einnehmen; im Prozess aber sollte man sich davor hüten, ein sofortiges (Teil-) Anerkenntnis zu erklären und zugleich eine Stundung zu beantragen.

Die vollständigen Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf nebst meinen ausführlichen Anmerkungen wurden in der Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis veröffentlicht (ErbR 2023, 879).

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Pressemitteilung vom 18.10.2023, dpi Türdesign GmbH

24. Oktober 2023

dpi Türdesign plant umfassende Sanierung in Eigenverwaltung

Die Geschäftsleitung der dpi Türdesign GmbH aus Wesel beantragte am 17.10.2023 beim Amtsgericht Duisburg die Eigenverwaltung. Mit Beschluss vom 18.10.2023 wurde die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet (§ 270b InsO) und der sanierungserfahrene Rechtsanwalt Dr. Henneke, tätig für Henneke & Röpke Rechtsanwälte in Duisburg, zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Er überwacht die dpi Türdesign GmbH im gesamten Eigenverwaltungsverfahren und wahrt die Interessen der Gläubiger. Martin Dettmer als Geschäftsführer wird durch das Team um die Sanierungs- und Restrukturierungsexperten Prof. Dr. Peter Neu und Thorsten Kapitza aus der Kanzlei ATN d’Avoine Teubler Neu Rechtsanwälte beraten. „Durch das Eigenverwaltungsverfahren ist eine nachhaltige Sanierung des Unternehmens möglich. Die Geschäftsführung bleibt für die Leitung des Unternehmens zuständig und kann so weiter ihr Know-how einbringen. Gleichzeitig wird die Geschäftsführung von uns bei der Planung und Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen unterstützt“, führt Rechtsanwalt Prof. Dr. Neu aus. Andreas Krogull  wird die Umstrukturierung als Vertriebs- und Marketingleiter begleiten und ist nicht mehr Geschäftsführer.

Unternehmen soll erhalten bleiben / Löhne und Gehälter sind gesichert

Das Unternehmen wird uneingeschränkt fortgeführt. Ziel der Bemühungen ist der dauerhafte Erhalt, sei es mittels Insolvenzplan oder Verkauf an einen Investor. Es wurden bereits konkrete Maßnahmen erarbeitet, deren Umsetzung teilweise bereits begonnen haben. Betriebswirtschaftlich und planerisch unterstützt wird das Unternehmen durch die TMC Turnaround Management Consult GmbH. Die dpi Türdesign GmbH beschäftigt derzeit ca. 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2023 über Insolvenzgeld gesichert. Ab Januar 2024 werden diese wieder aus den laufenden Einnahmen geleistet. Die Belegschaft ist informiert worden und trägt durch ihr Engagement einen wesentlichen Beitrag zur Sanierungslösung bei.

Mehrfach-Krisen fordern Tribut

Durch die Hochwasserkatastrophe in der Eifel im Jahr 2021 wurde das Isolierglaswerk der dpi komplett zerstört. Der unmittelbare Schaden belief sich auf 12 Millionen Euro und führte nachfolgend zu Kundenverlusten aufgrund der temporären Fremdbeschaffung der Isoliergläser. Für ein neues Glaswerk am Standort Wesel wurde eine Summe von 6 Millionen Euro investiert – seit September 2023 wird das neue Isolierglaswerk sukzessive in Betrieb genommen. In der Konsequenz führten diese Ereignisse dazu, dass die finanziellen Mittel der dpi weitgehend aufgebraucht wurden. Die zusätzlich seit Beginn 2023 einsetzende Krise im Bausektor mit stark sinkenden Auftragseingängen stellen insgesamt Herausforderungen dar, die nur mit Hilfe der Sanierungsgesetze zu lösen sind.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben oder eine rechtliche Beratung benötigen, können Sie sich gerne an das erfahrene Team von ATN Rechtsanwälte wenden.

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ChatGPT in der Insolvenzverwalterpraxis

12. September 2023

„ChatGPT“ und andere KI-Chatbots sind derzeit Gegenstand vieler Veranstaltungen und Diskussionen. Solche Computerprogramme erlauben es den Anwendern, mit der „KI“ einen menschenähnlichen Dialog zu führen. Auf diese Weise kann man vom Chatbot Texte erstellen, über- und verarbeiten lassen.

In Zeiten von massivem Fachkräftemangel beschäftigen sich inzwischen auch in Deutschland immer mehr Anwaltskanzleien mit entsprechenden Anwendungen. In ersten Fortbildungsveranstaltungen wird bereits demonstriert, wie mit Anwendungen wie ChatGPT 4.0, Bing oder BARD ganze Schriftsatzentwürfe und dazu korrespondierende Mandantenanschreiben erstellt werden können. Auch die Justiz selbst beschäftigt sich in verschiedenen Projekten auf Länderebene mit diesen Technologien, dabei vorwiegend in Bereichen, in denen Massenverfahren, wie z.B. Diesel- oder Fluggastprozesse, bearbeitet werden müssen. Zwar verweisen die zuständigen Vertreter der Justiz dabei ausdrücklich auf den sich aus dem Grundgesetz ergebenden „Menschenvorbehalt“ für Richter und die Notwendigkeit des Erhalts der richterlichen Unabhängigkeit.Die Tatsache der Befassung der Justiz mit diesen KI-Anwendungen an sich zeigt aber, dass diese sich ein Übergehen angesichts der wachsenden Verfahrensmenge schlicht nicht leisten kann.

Ähnliche Zwänge zeigen sich in der Praxis der Insolvenzverwalterbüros. Auch diese haben derzeit mit steigenden Verfahrensanzahlen und wachsender Personalknappheit zu kämpfen. Ein Großteil der Arbeit im Berichtswesen ist aber beschreibender und analysierender Art. Anwendungen wie Ask-your-pdf können die Bearbeitung mit KI-Programmen in diesen Bereichen erheblich vereinfachen und beschleunigen. Dies betrifft aber nur den beschreibenden Teil der Arbeit, denn KI-Bots sind nicht in der Lage, eigene einzelfallbezogene und sachgerechte Entscheidungen zu treffen, die die menschliche Bearbeitung ersetzen könnten. Solche Entscheidungen machen zwar den wichtigsten, aber auch nur einen kleinen Teil der Insolvenzverwalterpraxis aus. Offen sind allerdings noch diverse Rechtsfragen, z.B. arbeits-, datenschutz- und urheberrechtlicher Art. Letztere führen dazu, dass die verschiedenen KI-Chatbots derzeit zu Übungszwecken nur auf einen kleinen Teil der verfügbaren Gerichtsurteile zugreifen können.

Tatsächlich könnten die Systeme in der juristischen Bearbeitung schon deutlich „besser“ sein. Dies erfordert aber eben die Klärung offener Rechtsfragen. Auch vor dem Hintergrund fanden zuletzt auf EU-Ebene Gespräche über den künftigen Rechtsrahmen für die KI-Technologie statt. Dies ist zu begrüßen, denn die Entwicklung lässt sich ohnehin nicht aufhalten. Sicher ist indes, dass sich die anwaltliche, aber insbesondere auch die insolvenzrechtliche Bearbeitungspraxis in naher Zukunft massiv ändern wird – und vielleicht auch muss.

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Neues Zukunftsfinanzierungs­gesetz (ZuFinG)

25. August 2023

Regierungsentwurf vom 16.08.2023

 

Nach dem Referentenentwurf (RefE) gibt es seit dem 16.08.2023 auch den Regierungsentwurf (RegE) zum ZuFinG, der den Referentenentwurf an einigen Stellen übernommen, an anderen Stellen aber auch relevant verändert hat.

Während der RefE noch 143 Seiten hatte, erweitert der RegE auf 32 Artikel und auf 189 Seiten inkl. Einleitung und Begründungen. Es werden verschiedene Bereiche neu geregelt oder geändert, etwa das BGB, AktG, DepotG, EStG, UStG und das KWG. Es sind insgesamt 31 Gesetzte und Verordnungen betroffen. Einige wichtige Bereiche betreffen:

  • Anpassung des AGB-Recht
  • Anhebung des Höchstbetrags für Vermögensbeteiligungen
  • Änderungen im Umsatzsteuerrecht
  • Regulierungen im Krypto-Bereich – Art. 20

 

Kundenschutz im Kryptoverwahrgeschäft

Politisch indiziert sind Regulierungen in Bezug auf das Kryptoverwahrgeschäft. § 26b KWG verlangt von Unternehmen, die im Kryptoverwahrgeschäft tätig sind (Verwahrer oder „Intermediäre“) besondere Vorkehrungen. Sie müssen die von Kunden verwahrten Kryptowerte und Schlüssel grds. getrennt von ihren eigenen und denen anderer Kunden aufbewahren. Bei gebündelter Verwahrung („omnibus wallet“) bleibt es zwar erlaubt, die Werte unter einem öffentlichen Schlüssel abzulegen, jedoch muss der Anteil jedes Kunden immer bestimmbar sein. Neu ist, dass über die verwahrten Werte und Schlüssel nicht ohne ausdrückliche Einwilligung des Kunden verfügt werden darf.

§ 46i KWG zielt auf den Kundenschutz. Dafür baut der Gesetzgeber eine „Fiktion“ in § 46i KWG ein. Kunden bekommen ein „Drittwiderspruchsrecht“, können sich somit gegen Gläubiger des Verwahrers durchsetzen und auf ihr Recht an den Kryptowerten pochen. Sie erhalten ferner ein Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren. Da das Verwahrgeschäft einen Treuhandcharakter hat und die Kunden wirtschaftlich berechtigt sind, kann auf die Rechtsprechung zur haftungsrechtlichen Behandlung von Treuhandverhältnissen verwiesen werden.

Der Regierungsentwurf setzt die – absehbare – europäische MiCA-Verordnung, welche vermutlich zum 01.01.2024 in Kraft treten wird, um, so das ZuFinG durch den Bundestag geht. Damit ist Ende 2023 zu rechnen.

 

Einführung „elektronische Aktien“ in das AktG

Mit der Änderung des § 10 AktG wird das deutsche Recht für elektronische Aktien geöffnet, und zwar für elektronische Namensaktien, die in ein zentrales Register gemäß § 12 eWpG oder in ein Kryptowertpapierregister gemäß § 16 eWpG eingetragen sind, und für elektronische Inhaberaktien, die in ein zentrales Register gemäß § 12 eWpG eingetragen sind

Aktiengesellschaften sollen also künftig die Wahl haben, ob sie ihre Anteile herkömmlich als verbriefte Aktien oder als elektronische Aktien im Sinne des Gesetzes über elektronische Wertpapiere begeben. Elektronische Aktien unterscheiden sich von herkömmlichen Aktien lediglich dadurch, dass sie nicht verbrieft sind, sondern stattdessen in ein elektronisches Wertpapierregister eingetragen werden.

 

Ausblick

Technische Fortschritte erzwingen rechtliche Anpassungen. Der Gesetzgeber will durch Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung den Finanzstandort Deutschland attraktiver machen, und zwar sowohl für nationale als auch für internationale Unternehmen und Investoren. Aktien und börsennotierte Wertpapiere sollen als Kapitalanlage. Das soll auf der Nachfrageseite (Anreize für Aktien als Kapitalanlage) erfolgen aber auch auf der Angebotsseite (Erhöhung der Anzahl börsennotierter Unternehmen in Deutschland).

Zahlreiche Veränderungen durchziehen das ZuFinG, welche die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Klein- und Mittelunternehmen (KMU) stärken sollen. Rechtssicherheit im Finanzsektor ist elementar wichtig. Neue Technologien führen zu neuen Überlegungen und dann auch zu neuen Regelungen. Ob und wie genau der Entwurf durch den Bundestag geht, wird sich in wenigen Wochen zeigen.

 

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BGH Urteil vom 29. Juni 2023: Erweiterte Haftung für Berater

8. August 2023

Der BGH hat mit Urteil vom 29.06.2023 – (IX ZR 56/22) an sein Urteil vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) angeknüpft. Nach dem Urteil 2017 kann eine Steuerberaterhaftung wegen Insolvenzver­schleppung greifen, wenn der StB auch (nur) mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragt war (Rechtsprechungsänderung, DStR 2017, 942 NJW 2017, 1611¸ NZI 2017, 312 (m. Anm. Schädlich); BB 2017, 685 (m. Anm. Hüttemann)¸WM 2017 Heft 8, 383¸ NZG 2017, 468 ¸ZIP 2017, 427;  BeckRS 2017, 101939; LSK 2017, 101939 (Ls.))

 BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 – IX ZR 56/22 – erweitert Haftung für Berater

Das Urteil des BGH vom 29.06.2023 – (IX ZR 56/22) geht darüber hinaus und zieht den faktischen GF in den Schutzbereich eines Beratungsvertrages. In den Entscheidungsgründen heißt es:

  1. Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil dem Berater im Verhältnis zum Mandanten nur eine Schutz- oder Fürsorgepflichtverletzung zur Last fällt.
  2. Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten; Voraussetzung ist ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung.
  3. In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen sein.

BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 – IX ZR 56/22 – OLG Köln LG Aachen

Mit diesem Urteil stellt der BGH die Schutzwirkung von Beratungsverträgen auf Dritte ausdrücklich fest, und zwar auch für diejenigen Fälle, in denen die „Beratung über Insolvenzgründe“ nicht als Hauptleistung vereinbart war. Dort ging es um einen (inzwischen insolventen) Rechtsanwalt, der die Geschäftsleiter einer GmbH & Co. KG nicht korrekt zu § 64 GmbH bzw. § 15a ff. InsO beraten hatte. Eingetragener GF der GmbH war J. M., der Sohn des „Seniors“ M. M, der Ex-GF aber – wohl immer noch – aktiv und daher faktischer GF war.

 Einbeziehung eines Dritten (faktischer GF) in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags

Der Vater M. M. und/oder der Sohn J. M. als GF der Komplementärgesellschaft hatten verschiedene Zahlungen der GmbH & Co. KG bei Insolvenzreife vorgenommen, für die der spätere Insolvenzverwalter beide erfolgreich in Anspruch genommen hatte. Zwar vergleich sich die Parteien am Ende auf eine Zahlung von € 85.000,00, die Vater und Sohn als „Gesamtschuldner“ auch erbrachten. Aber die beiden M. (Geschädigte) wollten diesen Betrag von dem Ex-Berater bzw. dem Haftpflichtversicherer des in Insolvenz gefallenen Rechtsanwalts erstattet haben. Die Kläger meinten, der Rechtsanwalt habe seine Beratungspflichten im Blick auf eine bestehende Insolvenzreife der KG verletzt; Sohn und Vater seien als formaler und faktischer Geschäftsführer in den Schutzbereich der mit der KG geschlossenen Mandatsverträge einbezogen gewesen. Damit drangen sie beim BGH durch.

Wenngleich die Einzelheiten des Ausgangsfalls nicht bekannt sind, bedeutet das Urteil vom 29.06.2023 eine massive Ausweitung der Beraterhaftung. Schon nach dem Urteil des BGH vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) kann der Steuerberater wegen Insolvenzver­schleppung haften, wenn der StB auch (nur) mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragt war (Rechtsprechungsänderung). „Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist.

Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund mit Drittschutz für GF und faktischen GF

Nunmehr erweitert der BGH die Schutzwirkung von Beratungsverträgen auf Dritte auch für diejenigen Fälle, in denen die „Beratung über Insolvenzgründe“ nicht als Hauptleistung vereinbart war. Auch wenn der BGH noch einige Einschränkungen macht (der Insolvenzgrund muss offenkundig sein oder „sich aufdrängen“) heißt es ab jetzt „erhöhte Obacht bei der Beratung mit Blick auf Randthemen und Annexfragen“. Mit der gestiegenen Haftungsgefahr werden sich Berater künftig enger befassen (müssen).

Haarmeyers bewertet „Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz“: Ein Blick auf die positive ZInsO-Rezension

22. Juni 2023

Hans Haarmeyer ist seit Jahrzehnten eine Größe im Insolvenzrecht. Die positive Rezension der 4. Auflage des Werks „Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz“ von Marc und Philippe d‘Avoine bestätigt die Qualität des Handbuchs für die Sanierungs- und/oder Abwicklungsarbeit für Ärzte und Apotheker.

Die nachfolgend angeführte Rezension entstammt der renommierten Fachpublikation „ZInsO – Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht“. Für direkten Zugang zum Originaltext, bitte folgenden Verweis aufrufen:

www.research.wolterskluwer-online.de

Gleich mit zwei Praktiker-Werken nimmt der RWS-Verlag den gesamten Gesundheitsbereich ins Visier und deckt mit diesen beiden höchst aktuellen Büchern einen gesellschaftlichen Bereich ab, der seit Jahren ins Gerede gekommen ist. Dass die Krankenhauslandschaft schrumpfen muss, ist zwar politisch gewollt, aber – wie zu Zeiten der Treuhand – überlasst die Politik die Umsetzung lieber Anderen und dabei gerne auch der Insolvenzverwaltung, die eh schon keinen guten Ruf hat. Demgegenüber sind es bei Ärzten eher das persönliche

Umfeld und außerberufliche Ursachen, die diese Berufsgruppe immer wieder in Schwierigkeiten bringen, obwohl sie regelmäßig zu den sog. Besserverdienenden gehören. Beiden Büchern gelingt es ganz hervorragend, die für das Verständnis der weiteren Darstellung wichtigen Gründe für die Einleitung von Insolvenz- und/oder Sanierungsverfahren voranzustellen. Dass dies beim Krankenhausmarkt deutlich mehr Platz in Anspruch nimmt liegt auf der Hand, denn der Krankenhausmarkt ist höchst komplex und durch eine Vielzahl von Ursachen in eine Schieflage gekommen, wobei die Unterfinanzierung, der Konkurrenzdruck und der sich daraus oft ergebende Verdrängungswettbewerb die maßgeblichen Ursachen sind, wie dies von Kaufmann/Gutmann sehr anschaulich unter A. dargelegt wird, sodass sich erst unter B. und nach 40 informativen und anregend zu lesenden Seiten der Blick auf Krisenindikatoren und Krisenursachen richtet.

 

An dieser Stelle kann sich die Betrachtung von dÁvoine/dÁvoine sehr viel schneller den ersten wichtigen Schritten bei einer Arztkrise zuwenden und leistet auf Seite 24 mit einer „Giftliste“ hin zu den typischen Fehlern bei der Planung einer Arztpraxis einen sehr guten Beitrag zur Ursachen- und Fehleranalyse. Das setzt sich auch in der weiteren Darstellung fort und man merkt dem Buch an, dass es in seiner 4. Auflage bereits von so viel überflüssigen Erläuterungen befreit worden ist, sodass es gut

Haarmeyer: Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz & Sanierung von Krankenhäusern in Krise und Insolvenz –

ZInsO 2023 Ausgabe 21 – 1087

und gerne als ein hervorragendes Handbuch zum unmittelbaren Einstieg in die Sanierungs- und/oder Abwicklungsarbeit für Ärzte und Apotheker verstanden werden kann. Dies mündet dann ab Seite 91 in einem Praxisfall der sodann in all seinen Facetten bis hin zur Frage der Fortführung einer Arztpraxis bzw. Apotheke in der Insolvenz ausgeleuchtet und mit einem Musterinsolvenzplan für einen Arzt abgeschlossen wird. Insoweit bleibt dieses Buch immer ganz nah bei dieser spezifischen Berufsgruppe und beleuchtet unter G. eine Vielzahl sehr relevanter Sonderfragen vom Ärztlichen Versorgungswerk bis zur Aufbewahrung von Patientenunterlagen aber auch der Bestechlichkeit von Kassenärzten und Verstößen gegen das Berufsrecht. Insgesamt erfüllt das Buch alle Erwartungen interessierter Leser und überzeugt mit einer Vielzahl an Praxistipps aus dem geronnenen Wissen langjähriger Praxis. Das Buch atmet auch die langjährige Erfahrung, geizt nicht mit der Weitergabe praktischer Erfahrungen und ist für diesen Personenkreis die absolut erste Wahl.

 

Auch Kaufmann/Gutmann zählen seit Jahren zur kleinen Schar der besonders sanierungserfahrenen und auf Krankenhäuser spezialisierten Insolvenzverwalter, wobei es in einem politisch gewollt schrumpfenden Markt enorm herausfordernd ist, immer wieder neue Sanierungswege zu finden, die auch das hoch qualifizierte Personal weiter in Arbeit hält, und so wachsen in diesem Bereich auch Medizinische Versorgungszentren, Umwandlungen in Alten- und Pflegeheime, aber auch die Organisation in Form einer gemischten Nutzung für betreutes Wohnen bis hin zu Studentenwohnheimen etc, etc. Insoweit sind kreative Denkansätze gefragt und gerade hier leisten Insolvenzverwalter und Insolvenzverwalterinnen Pionierarbeit; Arbeit, die öffentliche Träger nur höchst selten bewältigen können – insoweit ein attraktiver und herausfordernder Markt. U.a. Ruth Rigol, aber auch Stefan Laubereau als Mitautoren bringen dazu ihre langjährigen Erfahrungen ein und so ist ein Werk von Praktikern für Praktiker entstanden, das höchstes Lob verdient – auch und gerade, weil durchaus mühsam erworbenes Wissen und gemachte Erfahrungen auch für Dritte verarbeitet und veröffentlicht werden. Insbesondere der zweite Teil dieses Buchs lebt von den dort dargestellten Beispielen, den Sanierungsproblemen und den Bewältigungsstrategien und mündet am Ende in einer verdichteten Zusammenfassung der lessons learned mit der zentralen Erkenntnis, dass die Eigenverwaltung in diesem Bereich wohl der Königsweg sein dürfte, weil gerade auch in diesem sensiblen Bereich Vertrauen die Grundlage für jede Sanierungsoption ist. Für eine Neuauflage sollte der erste Teil mit teilweise doch lehrbuchartigen abstrakten Ausführungen über Verfahrensarten, Sanierungsinstrumente etc. deutlich zurückgefahren und mit dem zweiten Teil möglichst fallbezogen verknüpft werden. Beide Werke beleben den überfluteten Markt der insolvenzrechtlichen Literatur mit hoher Qualität und verdichtetem Spezialwissen, aber sie bieten beide auch echte Mehrwerte und sollten in keiner Verwalterkanzlei fehlen!

 

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Erweiterung des Spanish Desk bei ATN Rechtsanwälte

8. Mai 2023

Für Spanien war Deutschland im Jahre 2022 der zweitwichtigste Handelspartner. Rund 11 % der gesamten Ausfuhren Spaniens gingen nach Deutschland (Frankreich 16%), während 14% der Einfuhren in Spanien aus Deutschland kommen. Rund 190.000 Spanier leben und arbeiten in Deutschland.

Die Tendenz und der Investitionswunsch spanischer Unternehmen in Deutschland ist steigend und dies spüren auch wir, als Berater dieser Gesellschaften in Deutschland und deutscher Unternehmen in Spanien.

Aufgrund der großen Nachfrage haben wir unseren Spanish Desk erweitert: Ab dem 11.04.2023 unterstützt uns Herr Adrián Parada Kügler (Abogado, LL.B. Sevilla/Bayreuth) an unserem Standort in Ratingen.

Wir werden damit noch besser als bisher in der Lage sein, die vor allem wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Fragen, die sich im Falle grenzüberschreitender Unternehmungen stellen, schnell und kompetent zu beantworten.

Wir begrüßen unseren neuen Kollegen herzlich und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit!

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Ampliación del Spanish Desk en ATN Rechtsanwälte

Para España, Alemania fue el segundo mercado más importante en 2022. Alrededor del 11% de las exportaciones totales de España se dirigieron a Alemania (Francia, el 16%), mientras que el 14% de las importaciones españolas proceden de Alemania. Alrededor de 190.000 españoles viven y trabajan en Alemania.

La tendencia y el deseo de las empresas españolas de invertir en Alemania es cada vez mayor y nosotros, como asesores de estas empresas en Alemania y de empresas alemanas en España, también lo estamos notando.

Debido a la gran demanda, hemos ampliado nuestro Spanish Desk: A partir del 11 de abril de 2023, D. Adrián Parada Kügler (Abogado, LL.B. Sevilla/Bayreuth) se ha incorporado en nuestra sede de Ratingen.

 De este modo, podremos responder con aún mayor rapidez y competencia a las cuestiones, especialmente de Derecho mercantil y laboral, que se plantean en el caso de las empresas transfronterizas.

¡Damos una calurosa bienvenida a nuestro nuevo compañero!