Neue Gesetze und Gesetzesänderungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht Anfang 2021 zu erwarten

23. Oktober 2020

Die Praxis darf sich auf mehrere neue Gesetze und Gesetzesänderungen einstellen. Die Titel sind sperrig, die Inhalte komplex:

SanInsFoG – Entwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs-
und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz)

StaRUG – Entwurf des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz)

Das Bundeskabinett bringt damit eine von der EU vorgegebene Reform für Sanierungs- und Insolvenzrecht auf den Weg. Die Umsetzung ist Anfang 2021 zu erwarten, dann sollen die neuen Gesetze schon gelten.

Das Bundeskabinett hat am 14.10.2020 den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht (SPD), vorgelegten Gesetzentwurf für eine Reform des Insolvenzrechts beschlossen. Der Entwurf sieht unter anderem die Einführung eines Rechtsrahmens für Restrukturierungen vor, mit dem Insolvenzen abgewendet werden können. Davon können insbesondere auch Unternehmen Gebrauch machen, die infolge der Corona-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.

Wichtig für die Unternehmen mit Sanierungsabsicht ist:
Die bekannten Instrumente der Insolvenzordnung bleiben erhalten. Auch die Eigenverwaltung funktioniert weiter, mit und ohne Insolvenzplan als Sanierungslösung. Der Entwurf des SanInsFoG incl. StaRUG beinhaltet aber eine weitreichende Fortentwicklung des geltenden Sanierungs- und Insolvenzrechts.
Die Ministerin meint, das sei ein „Meilenstein für einen fortschrittlichen und effektiven Rechtsrahmen zur Unternehmenssanierung“. Das wird in der Praxis durchaus anders gesehen. Zwar wird es ab 2021 den „Rechtsrahmen zur Unternehmenssanierung“ geben. Ob dieser aber mehr kann als die Regelverwaltung und die Eigenverwaltung nach der aktuellen Insolvenzordnung, bleibt abzuwarten. Denn Sanierungskonzepte konnten auch bisher mit und ohne Insolvenzverfahren umgesetzt werden.

Hilfreich ist jedenfalls, dass auch Unternehmen, die aufgrund der COVID-19 Pandemie unverschuldet in Schieflage geraten sind, aber über ein überzeugendes Geschäftsmodell, Konzept und Struktur verfügen, von den Neuerungen profitieren können. Insofern eröffnen der neue Rechtsrahmen – wie auch die Werkzeuge der Insolvenzordnung – betroffenen Unternehmen die Möglichkeit, belastende Verträge zu beenden, wenn der andere Vertragspartner seine Zustimmung zur Anpassung oder Beendigung verweigert und ansonsten eine Insolvenz droht.

Das SanInsFoG enthält weitere Erleichterungen für von der Pandemie betroffene Unternehmen. Unternehmen unterliegen ab dem 01.01.2021 zwar wieder der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. Allerdings wird der Überschuldungsprüfung künftig ein gelockerter Maßstab zugrunde gelegt, der auf die derzeitigen Prognoseunsicherheiten Rücksicht nimmt.

Daneben werden auch die Sanierungsmöglichkeiten des bestehenden Rechts fortentwickelt. Es soll sichergestellt werden, dass der Verzicht auf die Bestellung einer/s Insolvenzverwalterin/s in den Eigenverwaltungsverfahren grundsätzlich nur gut und solide vorbereiteten Vorhaben vorbehalten bleibt. Diesen Unternehmen soll aber zugleich ein rechtssicherer Weg zu den eigenverwaltungsbasierten Sanierungsoptionen eröffnet werden.

Die Ergänzungen und Fortentwicklungen sollen, so die Ministerin, deutsche sanierungswillige Unternehmen davon abhalten, für eine Restrukturierung ins Ausland zu gehen, jedenfalls den formellen Sitz dorthin zu verlegen. Letzteres hat in den vergangenen Jahren in div. Fällen deutscher Unternehmen im englischen Sceme-of-Arrangement für einigen Ärger aber auch Überraschungen gesorgt.

ATN beim RP-Wirtschaftsforum „Sanierung und Beratung“

16. Oktober 2020

Unser Kollege Prof. Dr. Peter Neu nahm kürzlich am diesjährigen Wirtschaftsforum der Rheinischen Post zum Thema „Sanierung und Beratung“ teil. Hierbei tauschte er sich mit anderen Sanierungs- und Insolvenzexperten über die möglichen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise aus. Unter anderem wurde darüber diskutiert, welche Branchen besonders stark von der Pandemie betroffen sind, und für welche Branchen sich wiederum Chancen bieten. Klare Trends seien bereits erkennbar.

Hier geht es zu der zugehörigen Sonderbeilage der Rheinischen Post:
Sanierung & Beratung 2020

BGH urteilt zu den Befugnissen eines vorläufigen Insolvenzverwalters bei Einzug von Bankguthaben

10. Oktober 2020

BGH , Urteil vom 24.09.2020 – IX ZR 289/18

Ein vorläufiger Insolvenzverwalter, der zur Einziehung von Bankguthaben des Schuldners ermächtigt ist, kann die für ein Gemeinschaftskonto vereinbarte Einzelverfügungsbefugnis nicht widerrufen. Das Pfandrecht der Bank an einem Guthaben auf einem im Kontokorrent geführten Girokonto erstreckt sich auch auf den Anspruch auf das Tagesguthaben. Das hat der Bundesgerichtshof am 24.09.2020 entschieden.

Darlehensrückzahlungsanspruch nach Insolvenzantrag

Ein Schuldner hatte gemeinsam mit seiner Frau ein Kontokorrentkonto (mit Dispositionskredit). Beide waren hieran jeweils allein verfügungsberechtigt. Jahre zuvor hatten sie von ihrer Bank ein Darlehen erhalten, von dem noch rund 27.000 Euro zu tilgen waren. Nachdem einer der Gläubiger einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Mannes gestellt hatte, bestellte das Insolvenzgericht bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte diesen, Forderungen des Schuldners einzuziehen. Es ordnete an, dass Verfügungen des Schuldners über sein Vermögen nur noch mit Zustimmung seines Verwalters wirksam seien. Der Insolvenzverwalter widerrief die Einzelverfügungsbefugnis über das Bankkonto, kündigte den Girovertrag und verlangte die Auszahlung des Guthabens in Höhe von rund 15.000 Euro in die Insolvenzmasse. Die Bank kündigte den Darlehensvertrag und rechnete das vorhandene Guthaben gegen ihren noch offenen Darlehensrückzahlungsanspruch auf. Vor dem Landgericht Frankfurt am Main verfolgte der Verwalter seine Forderung vergeblich, das Oberlandesgericht Frankfurt verurteilte die Bank zur Zahlung in Höhe von knapp 3.000 Euro. Beide Parteien wehrten sich gegen das Berufungsurteil vor dem BGH – ohne Erfolg.

Aufrechnung der Bank

Dem BGH zufolge war die Aufrechnung der Bank nach den §§ 387 ff. BGB in Höhe von rund 12.000 Euro rechtmäßig, denn bis zu dieser Summe besaß die Bank aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen ein Pfandrecht an dem Guthaben. Bei dem Kontokorrentkonto bestimme sich das Guthaben nach dem Betrag, der am Stichtag auf dem Konto gutgeschrieben war (Tagesguthaben). Die übrigen 3.000 Euro seien erst nach Stellung des Insolvenzantrags und nach der Kontokündigung auf das Konto gelangt, sie seien damit nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO anfechtbar. Eine Aufrechnung gegen diese Summe sei daher nicht mehr möglich gewesen.

Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters

Der zur Einziehung von Bankguthaben ermächtigte Insolvenzverwalter kann nach den Karlsruher Richtern die für ein Gemeinschaftskonto vereinbarte Einzelverfügungsbefugnis nicht wirksam widerrufen, weil diese Erklärung über seine Befugnis hinausgeht. Der BGH erklärte, dass das Insolvenzgericht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 InsO ausdrücklich klargestellt habe, dass mit dem Zustimmungsvorbehalt die Willenserklärung des Verwalters nur neben die des Schuldners treten sollte. Der Kontoinhaber war nicht länger ermächtigt, alleine über sein Vermögen zu verfügen – seine Willenserklärung sollte aber nicht durch die seines Verwalters ersetzt werden. Die Forderungen des Mannes seien nicht wie bei einer Abtretung auf den Insolvenzverwalter übergegangen, sondern dürften von ihm nur im eigenen Namen eingezogen werden. Ein Widerruf der Einzelverfügungsbefugnis, um das Vermögen vor der Ehefrau zu schützen, sei nicht davon gedeckt.

zu BGH, Urteil vom 24.09.2020 – IX ZR 289/18

Quelle: Redaktion beck-aktuell, 9. Okt 2020.

Online-Seminar „COVID-19 – Unternehmenskrise überwinden und Haftung vermeiden“

8. Oktober 2020

Am 07.10.2020 hielten unsere Kollegen Dr. Marc d’Avoine und RA Peter Mazzotti ein spannendes Online-Seminar zum Thema „COVID-19 – Unternehmenskrise überwinden und Haftung vermeiden“. Sie informierten unter anderem über den kürzlich veröffentlichten Referentenentwurf des Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetztes sowie die Möglichkeiten und zukünftigen Änderungen, die sich durch den neuen Rahmen für Unternehmer ergeben könnten.

Eine Zusammenfassung des Online-Seminars finden Sie hier:

https://extranet.uvratingen.de/nachrichten-aus-dem-verband/aktuelles-blog/249-2020-10-08-06-34-40

Pressemitteilung: Das Apothekenrechenzentrum AvP GmbH meldet Insolvenz an

30. September 2020

Düsseldorf, 28. September 2020: Das Apothekenrechenzentrum AvP Deutschland GmbH (nachfolgend: AvP) hat am 16. September 2020 Insolvenz beim Amtsgericht Düsseldorf angemeldet. Viele Apotheken warten seither auf die Auszahlung offener Beträge und geraten in Folge dessen in Zahlungsschwierigkeiten. Wie der vorläufige Insolvenzverwalter in ersten Mitteilungen verlautbaren ließ, werden kurzfristig jedenfalls keine Gelder an die betroffenen Apotheken ausgezahlt. Der Unmut bei den Betroffenen ist groß; existentielle Sorgen nehmen überhand.

ATN- Rechtsanwälte, hier angeführt von Thorsten Kapitza und Dr. Marc d’Avoine beschäftigen sich zusammen mit einem breit aufgestellten Team mit dieser Thematik. Sie sind seit vielen Jahren als Insolvenzverwalter, Sachwalter und Bevollmächtigte im Gesundheitswesen tätig und beraten seit Jahren Versorger im Gesundheitswesen und Apotheken.

Im aktuellen Insolvenzeröffnungsverfahren der AvP vertritt ATN nahezu 100 Apotheken. Es geht um viel Geld, auf das die Apotheken warten. Die Anwälte d‘Avoine und Kapitza empfehlen, „die Vertragsverhältnisse mit AvP schnellstmöglich zu kündigen und den Abrechnungsdienstleister zu wechseln“. Nur so könne die für die Apothekenfortführung notwendige Liquidität erhalten werden. Hierzu wurden bereits konkrete Handlungsempfehlungen an die Mandanten versandt.

In dem Verfahren AvP dreht sich vieles um die Frage, ob die Beträge auf den Konten der AvP den Apotheken unmittelbar zustehen oder Bestandteil der allgemeinen Insolvenzmasse sind; letzteres ist wohl die bisherige Meinung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Dagegen sprechen jedenfalls Geschäftsbedingungen, die in einer Vielzahl von Fällen verwandt wurden. Daher wird das Thema „Aussonderungs- oder Ersatzaussonderungsrecht“ der einzelnen Apotheken noch intensiv diskutiert und im Interesse der Betroffenen verfolgt.

In diesem Komplex wird auch die Frage zu klären sein, ob es sich bei den Konten der AvP um Treuhandkonten handelt. Die Anwälte werden jedes Vertragsverhältnis individuell prüfen. RA Kapitza geht aufgrund der Komplexität des Sachverhalts und der unterschiedlichen Vertragsfassungen und Konstellationen davon aus, dass ein Prüfergebnis des Insolvenzverwalters nicht kurzfristig erfolgen wird und ggf. die einzelnen Sachverhalte einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden müssen.

Ebenfalls wird geprüft, wem die bei AvP befindlichen und noch nicht abgerechneten Rezepte zustehen und ob diese herausgegeben werden können. Auch in diesem Zusammenhang wird erfahrungsgemäß keine kurzfristige Entscheidung fallen. Insofern ist auch dort anwaltlicher Einsatz gefragt.

Über ATN D’Avoine Teubler Neu:

ATN ist eine an mehreren Standorten in NRW ansässige Wirtschaftskanzlei, die mit über 100 Mitarbeitern über besondere Expertise im Bereich Restrukturierung und Insolvenzverwaltung verfügt. ATN gehört in diesem Bereich ausweislich der Wirtschaftswoche zu den Top-Kanzleien in Deutschland.

Bundesregierung legt am 18.09.2020 den Referentenentwurf zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen vor

22. September 2020

Die Bundesregierung hat mit dem am 18.09.2020 veröffentlichten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts neue Regeln vorgeschlagen, die von den Verbänden und Organisationen zur Zeit beleuchtet werden. Ob es noch Änderungen geben wird, ist offen.

Nicht jeder Unternehmer wird den „Rahmen“ nutzen können. Denn der neu geschaffene Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen soll nur solchen Unternehmen offenstehen, die bereits drohend zahlungsunfähig sind. In diesem Stadium ist die Krise manchmal bereits da, oder auch schon fortgeschritten. Immerhin, Sanierungschancen bestehen jedenfalls, wenn der Zugang zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen gegeben ist, und zwar bereits deutlich vor der Insolvenzreife im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit.

Der Referentenentwurf setzt die EU-Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht um. Das wird in der Praxis zur Zeit heftig diskutiert. Das IDW kommentiert. „Der nun vorgelegte Referentenentwurf ermöglicht den Zugang zu den neuen Sanierungsmöglichkeiten aber erst, wenn das Unternehmen bereits drohend zahlungsunfähig ist. Damit werden vielen Unternehmen nach Auffassung des IDW wichtige Sanierungschancen genommen.“

Allerdings ist festzustellen, dass der neue Rahmen durchaus eine „neue Chance“ für Unternehmer ist, was die EU auch vorgesehen und gefordert hatte.  In der Corona-Pandemie bekommt dieses für in Schwierigkeiten geratene Unternehmen durchaus eine besondere Bedeutung.

Aufgaben und Pflichten des Insolvenzverwalters bei Scheingewinnen

22. Juli 2020

Müssen Steuererklärungen und -bescheide nachträglich korrigiert werden?

Den Dax-Konzern Wirecard erwarten möglicherweise Steuerrück-zahlungen in Millionenhöhe. Diese entstanden jedoch auch durch sogenannte Scheingewinne – das Unternehmen aktivierte in der Bilanz wohl nicht vorhandenes Vermögen von 1,9 Milliarden. Auf dieser Grundlage erklärte der Konzern Einkünfte und zahlte entsprechend hohe Steuern. Kollege Dr. Marc d’Avoine erläutert in diesem Kontext, wie Insolvenzverwalter üblicherweise in Fällen von Scheingeschäften und Scheinhandlungen vorgehen.

Hier geht es zum vollständigen Artikel:

https://www.tagesspiegel.de/politik/bekommt-das-pleite-unternehmen-steuern-zurueck-wirecard-insolvenz-koennte-fuer-den-steuerzahler-teuer-werden/26022568.html