Risiken bzw. Besonderheiten bei der Restrukturierung / Sanierung von Apotheken

29. August 2023

 

Arzneimittelknappheit, Probleme in Lieferketten, gestiegene Energiepreise, fehlerhafte Investitionsentscheidungen in der Vergangenheit, steigende Zinsen, die Gründe für wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Apothekers / einer Apothekerin sind vielfältig.

 

Sanierung mittels Insolvenz

Ist eine außergerichtliche Einigung mit der Gläubigergesamtheit nicht möglich, kommt die Sanierung des Apothekers / der Apothekerin mittels eines Insolvenzverfahrens in Betracht. Die Laufzeit der Abtretungserklärung im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person beträgt in der Regel drei Jahre. Mittels Insolvenzplan lassen sich häufig sogar schnellere Lösungen für den Insolvenzschuldner gestalten, die zugleich vorteilhaft für die Gläubigergesamtheit sind, da Insolvenzpläne in der Regel zu höheren und vor allem zu schnelleren Quotenzahlungen führen.

 

Einschränkungen durch das ApoG

Das Gesetz über das Apothekenwesen (ApoG) beinhaltet allerdings Regelungen, welche die Möglichkeiten für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Apothekers / einer Apothekerin beschränken. Da den Apotheken insbesondere die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln obliegt, bedarf der Betrieb einer Apotheke einer Erlaubnis. Die Erlaubnis ist personen- und ortsgebunden (§ 1 ApoG) und sie verpflichtet zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung (§ 7 ApoG).

 

Als Insolvenzverwalter werden in der Regel Rechtsanwälte bzw. Wirtschaftsprüfer / Steuerberater bestellt. Die vorgenannten Berufsgruppen verfügen in der Regel über keine pharmazeutische Kompetenz. Ihnen wird vor bzw. im Zusammenhang mit ihrer Bestellung daher auch regelmäßig keine Erlaubnis im Sinne des ApoG erteilt. Der Betrieb einer Apotheke ohne Erlaubnis ist hingegen strafbewehrt (§ 23 ApoG). Ein Verstoß würde zudem gemäß § 5 ApoG die Zwangsstilllegung des Apothekenbetriebs auslösen.

 

Die Erlaubnis verpflichtet den Apotheker / die Apothekerin zudem zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung. Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geht das Recht, über einen Gegenstand der Insolvenzmasse zu Verfügungen (die sog. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis) aber vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Die Eröffnung eines sog. Regelinsolvenzverfahrens steht dem Betrieb der Apotheke durch den Apotheker / die Apothekerin in eigener Verantwortung daher entgegen, da gerade kein eigenverantwortliches Handeln mehr möglich ist.

 

 

Lösungsweg Eigenverwaltung §§ 270 ff. InsO

Die Insolvenzordnung beinhaltet jedoch einen Lösungsweg – die sog. Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO. Bei der Eigenverwaltung wird es dem Schuldner gestattet, die Insolvenzmasse unter Aufsicht eines Sachwalters zu verwalten und über sie zu verfügen. Der Apotheker / die Apothekerin bleibt „am Ruder“. Sanktionen nach dem ApoG werden im Falle der Eigenverwaltung nicht automatisch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgelöst. Diese Form des Insolvenzverfahrens führt grds. zu keinem Verstoß gegen § 7 ApoG.

 

Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Eigenverwaltungsverfahrens sind hingegen höher als die Voraussetzungen für die Eröffnung eines „normalen“ Regelinsolvenzverfahrens, da dem Schuldner ein Vertrauensvorschuss seitens des Insolvenzgerichts und seitens seiner Gläubiger gewährt wird. Die Voraussetzungen regelt § 270a InsO. Dem Insolvenzantrag sind u.a. eine Eigenverwaltungsplanung, ein Durchführungskonzept, die Darstellung des Verhandlungsstands mit den beteiligten Gläubigern, die Darlegung wie insolvenzrechtliche Pflichten sichergestellt werden und eine sog. Vergleichsrechnung im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten des Verfahrens, beizufügen. Darüber hinaus hat der Schuldner diverse weitere Erklärungen gegenüber dem Insolvenzgericht abzugeben.

 

Die Vorbereitung eines Eigenverwaltungsverfahrens bedarf einer sorgsamen Auseinandersetzung mit den Ursachen der wirtschaftlichen Schieflage und des Status quo sowie einer vorausschauenden Betrachtung der Sanierungsmöglichkeiten. Regelmäßig sind im Vorfeld Verhandlungen mit den beteiligten relevanten Gläubigern (Banken, Pharmagroßhandel, Finanzverwaltung, Sozialversicherungsträger etc.) zu führen.

Je früher Sanierungsschritte eingeleitet werden, desto höher ist in der Regel die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Sanierung im Wege der Eigenverwaltung.

 

ATN Rechtsanwälte begleitet Mandanten regelmäßig von den ersten Schritten der Vorbereitung bis zum Abschluss durch Eigenverwaltungsverfahren. RA Dr. Marc d’Avoine und RA Prof. Dr. Peter Neu werden zudem regelmäßig von diversen Insolvenzgerichten zu Sachwaltern in Eigenverwaltungsverfahren eingesetzt.

 

Bei Fragen rund um das Thema „Eigenverwaltung“ stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

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Neues Zukunftsfinanzierungs­gesetz (ZuFinG)

25. August 2023

Regierungsentwurf vom 16.08.2023

 

Nach dem Referentenentwurf (RefE) gibt es seit dem 16.08.2023 auch den Regierungsentwurf (RegE) zum ZuFinG, der den Referentenentwurf an einigen Stellen übernommen, an anderen Stellen aber auch relevant verändert hat.

Während der RefE noch 143 Seiten hatte, erweitert der RegE auf 32 Artikel und auf 189 Seiten inkl. Einleitung und Begründungen. Es werden verschiedene Bereiche neu geregelt oder geändert, etwa das BGB, AktG, DepotG, EStG, UStG und das KWG. Es sind insgesamt 31 Gesetzte und Verordnungen betroffen. Einige wichtige Bereiche betreffen:

  • Anpassung des AGB-Recht
  • Anhebung des Höchstbetrags für Vermögensbeteiligungen
  • Änderungen im Umsatzsteuerrecht
  • Regulierungen im Krypto-Bereich – Art. 20

 

Kundenschutz im Kryptoverwahrgeschäft

Politisch indiziert sind Regulierungen in Bezug auf das Kryptoverwahrgeschäft. § 26b KWG verlangt von Unternehmen, die im Kryptoverwahrgeschäft tätig sind (Verwahrer oder „Intermediäre“) besondere Vorkehrungen. Sie müssen die von Kunden verwahrten Kryptowerte und Schlüssel grds. getrennt von ihren eigenen und denen anderer Kunden aufbewahren. Bei gebündelter Verwahrung („omnibus wallet“) bleibt es zwar erlaubt, die Werte unter einem öffentlichen Schlüssel abzulegen, jedoch muss der Anteil jedes Kunden immer bestimmbar sein. Neu ist, dass über die verwahrten Werte und Schlüssel nicht ohne ausdrückliche Einwilligung des Kunden verfügt werden darf.

§ 46i KWG zielt auf den Kundenschutz. Dafür baut der Gesetzgeber eine „Fiktion“ in § 46i KWG ein. Kunden bekommen ein „Drittwiderspruchsrecht“, können sich somit gegen Gläubiger des Verwahrers durchsetzen und auf ihr Recht an den Kryptowerten pochen. Sie erhalten ferner ein Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren. Da das Verwahrgeschäft einen Treuhandcharakter hat und die Kunden wirtschaftlich berechtigt sind, kann auf die Rechtsprechung zur haftungsrechtlichen Behandlung von Treuhandverhältnissen verwiesen werden.

Der Regierungsentwurf setzt die – absehbare – europäische MiCA-Verordnung, welche vermutlich zum 01.01.2024 in Kraft treten wird, um, so das ZuFinG durch den Bundestag geht. Damit ist Ende 2023 zu rechnen.

 

Einführung „elektronische Aktien“ in das AktG

Mit der Änderung des § 10 AktG wird das deutsche Recht für elektronische Aktien geöffnet, und zwar für elektronische Namensaktien, die in ein zentrales Register gemäß § 12 eWpG oder in ein Kryptowertpapierregister gemäß § 16 eWpG eingetragen sind, und für elektronische Inhaberaktien, die in ein zentrales Register gemäß § 12 eWpG eingetragen sind

Aktiengesellschaften sollen also künftig die Wahl haben, ob sie ihre Anteile herkömmlich als verbriefte Aktien oder als elektronische Aktien im Sinne des Gesetzes über elektronische Wertpapiere begeben. Elektronische Aktien unterscheiden sich von herkömmlichen Aktien lediglich dadurch, dass sie nicht verbrieft sind, sondern stattdessen in ein elektronisches Wertpapierregister eingetragen werden.

 

Ausblick

Technische Fortschritte erzwingen rechtliche Anpassungen. Der Gesetzgeber will durch Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung den Finanzstandort Deutschland attraktiver machen, und zwar sowohl für nationale als auch für internationale Unternehmen und Investoren. Aktien und börsennotierte Wertpapiere sollen als Kapitalanlage. Das soll auf der Nachfrageseite (Anreize für Aktien als Kapitalanlage) erfolgen aber auch auf der Angebotsseite (Erhöhung der Anzahl börsennotierter Unternehmen in Deutschland).

Zahlreiche Veränderungen durchziehen das ZuFinG, welche die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Klein- und Mittelunternehmen (KMU) stärken sollen. Rechtssicherheit im Finanzsektor ist elementar wichtig. Neue Technologien führen zu neuen Überlegungen und dann auch zu neuen Regelungen. Ob und wie genau der Entwurf durch den Bundestag geht, wird sich in wenigen Wochen zeigen.

 

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BGH Urteil vom 29. Juni 2023: Erweiterte Haftung für Berater

8. August 2023

Der BGH hat mit Urteil vom 29.06.2023 – (IX ZR 56/22) an sein Urteil vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) angeknüpft. Nach dem Urteil 2017 kann eine Steuerberaterhaftung wegen Insolvenzver­schleppung greifen, wenn der StB auch (nur) mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragt war (Rechtsprechungsänderung, DStR 2017, 942 NJW 2017, 1611¸ NZI 2017, 312 (m. Anm. Schädlich); BB 2017, 685 (m. Anm. Hüttemann)¸WM 2017 Heft 8, 383¸ NZG 2017, 468 ¸ZIP 2017, 427;  BeckRS 2017, 101939; LSK 2017, 101939 (Ls.))

 BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 – IX ZR 56/22 – erweitert Haftung für Berater

Das Urteil des BGH vom 29.06.2023 – (IX ZR 56/22) geht darüber hinaus und zieht den faktischen GF in den Schutzbereich eines Beratungsvertrages. In den Entscheidungsgründen heißt es:

  1. Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil dem Berater im Verhältnis zum Mandanten nur eine Schutz- oder Fürsorgepflichtverletzung zur Last fällt.
  2. Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten; Voraussetzung ist ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung.
  3. In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen sein.

BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 – IX ZR 56/22 – OLG Köln LG Aachen

Mit diesem Urteil stellt der BGH die Schutzwirkung von Beratungsverträgen auf Dritte ausdrücklich fest, und zwar auch für diejenigen Fälle, in denen die „Beratung über Insolvenzgründe“ nicht als Hauptleistung vereinbart war. Dort ging es um einen (inzwischen insolventen) Rechtsanwalt, der die Geschäftsleiter einer GmbH & Co. KG nicht korrekt zu § 64 GmbH bzw. § 15a ff. InsO beraten hatte. Eingetragener GF der GmbH war J. M., der Sohn des „Seniors“ M. M, der Ex-GF aber – wohl immer noch – aktiv und daher faktischer GF war.

 Einbeziehung eines Dritten (faktischer GF) in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags

Der Vater M. M. und/oder der Sohn J. M. als GF der Komplementärgesellschaft hatten verschiedene Zahlungen der GmbH & Co. KG bei Insolvenzreife vorgenommen, für die der spätere Insolvenzverwalter beide erfolgreich in Anspruch genommen hatte. Zwar vergleich sich die Parteien am Ende auf eine Zahlung von € 85.000,00, die Vater und Sohn als „Gesamtschuldner“ auch erbrachten. Aber die beiden M. (Geschädigte) wollten diesen Betrag von dem Ex-Berater bzw. dem Haftpflichtversicherer des in Insolvenz gefallenen Rechtsanwalts erstattet haben. Die Kläger meinten, der Rechtsanwalt habe seine Beratungspflichten im Blick auf eine bestehende Insolvenzreife der KG verletzt; Sohn und Vater seien als formaler und faktischer Geschäftsführer in den Schutzbereich der mit der KG geschlossenen Mandatsverträge einbezogen gewesen. Damit drangen sie beim BGH durch.

Wenngleich die Einzelheiten des Ausgangsfalls nicht bekannt sind, bedeutet das Urteil vom 29.06.2023 eine massive Ausweitung der Beraterhaftung. Schon nach dem Urteil des BGH vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) kann der Steuerberater wegen Insolvenzver­schleppung haften, wenn der StB auch (nur) mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragt war (Rechtsprechungsänderung). „Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist.

Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund mit Drittschutz für GF und faktischen GF

Nunmehr erweitert der BGH die Schutzwirkung von Beratungsverträgen auf Dritte auch für diejenigen Fälle, in denen die „Beratung über Insolvenzgründe“ nicht als Hauptleistung vereinbart war. Auch wenn der BGH noch einige Einschränkungen macht (der Insolvenzgrund muss offenkundig sein oder „sich aufdrängen“) heißt es ab jetzt „erhöhte Obacht bei der Beratung mit Blick auf Randthemen und Annexfragen“. Mit der gestiegenen Haftungsgefahr werden sich Berater künftig enger befassen (müssen).