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Übertragung einer Vertragsarztpraxis / Rücknahme des Antrags auf Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes

25. April 2022

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann der Antrag auf Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes noch bis zur Bestandskraft der Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien zurückgenommen werden (BSG Urt. v. 12.02.2020 – B 6 KA 19/18).

Die vorgenannte Rechtsprechung eröffnet einem Vertragsarzt, der mittels Verzicht seine Zulassung auf einen Wunschkandidaten übertragen möchte, die Möglichkeit, ein von ihm gegenüber dem Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung beantragtes Nachbesetzungsverfahren zur Erledigung zu bringen, wenn sich z.B. abzeichnet, dass der Wunschkandidat nicht den Zuschlag erhalten wird.

Vertragsärzten – die eine Zulassung für einen gesperrten Planungsbereich innehaben – und welche diese Zulassung (i.d.R. bei anstehendem Ruhestand oder bei beruflichen Veränderungen) auf einen Dritten übertragen möchten, wird von § 103 SGB V in einem ersten Schrift der Weg über den Verzicht auf die Zulassung vorgegeben.

Die Abgabe der Verzichtserklärung ist hierbei in verschiedenen Varianten möglich. Der Hauptunterschied liegt darin begründet, dass in Variante 1 (§ 103 Abs. 3a, Abs. 4 SGB V) parallel zum Verzicht auf die Zulassung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens beantragt wird. Diese Variante beinhaltet neben dem Risiko, dass der Zulassungsausschuss die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen kann ein weiteres Risiko, nämlich das der Bewerbung weiterer Interessenten auf die Zulassung in Konkurrenz zur Bewerbung des Wunschkandidaten. Variante 2 beinhaltet dagegen immer eine Form der Anstellung (= abhängigen Beschäftigung) und läuft ohne Nachbesetzungsverfahren ab. Sie unterteilt sich wiederum in drei Untervarianten, die jeweils eigene Voraussetzungen mit sich bringen (§ 103 Abs. 4a – 4c SGB V). Variante 2 mit ihren Untervarianten vermeidet das Risiko von Konkurrenzbewerbungen im Nachbesetzungsverfahren. Allerdings bestehen auch beim Vorgehen nach Variante 2 Fallstricke, die es zu vermeiden gilt. Verzichtet der Vertragsarzt etwa unter dem Vorbehalt der Genehmigung der von ihm angestrebten Anstellung bei einem Medizinischen Versorgungszentrum auf seine Vertragsarztzulassung, so muss das nachfolgende Anstellungsverhältnis regelmäßig eine Dauer von mindestens drei Jahren  aufweisen, damit dem Übernehmer der Zulassung nicht der Verlust der so eingebrachten Zulassung droht (BSG Urt. v. 04.05.2016 – B 6 KA 21/15 R).

Die Auswahl der jeweils „richtigen“ Variante in der anwaltlichen Beratung hängt von den Vorstellungen des abgebenden Vertragsarztes und auch der Rechtsform des Wunschkandidaten (z.B. Vertragsarzt, Berufsausübungsgemeinschaft, Medizinisches Versorgungszentrum) ab. Sie ist bereits eine erste entscheidende Weichenstellung für die erfolgreiche Übertragung der Praxis.

Sofern Variante 1 für den Einzelfall die richtige Vorgehensweise darstellt und im durchzuführenden Nachbesetzungsverfahren sodann eine nicht im Vorfeld lösbare Konkurrenzsituation entsteht, welche wiederum den Wunschkandidaten für die Übertragung benachteiligt, kann der ausschreibende Vertragsarzt nach der eingangs zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die „Notbremse“ ziehen und seinen Antrag auf Nachbesetzung zurücknehmen. In der Folge erledigt sich die Entscheidung des Zulassungsausschusses über die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens.

Die benannte Vorgehensweise sollte allerdings nur als „ultima ratio“ in Betracht gezogen werden, da der Vertragsarzt, der den erfolgreichen Abschluss des Nachbesetzungsverfahrens durch die Rücknahme seines Antrags verhindert, riskiert, dass die Nachbesetzung endgültig scheitert. Ein erneuter Nachbesetzungsantrag wäre in dieser Konstellation nur beachtlich, wenn der Vertragsarzt ein berechtigtes Interesse für die Rücknahme und die erneute Antragstellung darlegen kann (BSG Urt. v. 23.03.2016 – B 6 KA 9/15).

Fazit:

Die Übertragung einer Vertragsarztzulassung auf einen Nachfolger – sei es aus Altersgründen oder aus Gründen der beruflichen Veränderung bzw. des Anstrebens einer beruflichen Kooperation – bedarf der sorgfältigen und rechtzeitigen Planung, um die bestehende Vielzahl von Risiken zu minimieren, einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und das für die Beteiligten bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

ATN Rechtsanwälte steht Ihnen bei sämtlichen rechtlichen Fragen rund um die Themen „Praxisübertragung“ und „Berufliche Kooperation von Ärzten“ zur Seite.

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