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SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 (Corona-ArbSchV) – Neue Pflichten für Arbeitgeber in der Pandemie

26. Januar 2021

Trotz anhaltendem „Lockdowns“ sowie erster, sinkender Infektionszahlen ist eine Entspannung der Corona-Pandemie nicht in Sicht. Die erstmals in Großbritannien nachgewiesene Mutation des Virus trübt die Hoffnung auf ein baldiges Ende. Die zur Kontaktreduzierung in vielen Lebensbereichen bereits vorhandenen Maßnahmen reichen nicht aus, das Infektionsgeschehen wirksam und nachhaltig einzudämmen. Es bedarf daher weitergehender Maßnahmen am Arbeitsplatz, um die Pandemie wirksam in den Griff zu bekommen.

In diesem Zusammenhang hat das Bundeskabinett den bereits bestehenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vom 16.04.2020 und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vom 20.08.2020 ergänzt und am 20.01.2021 die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) beschlossen. Die Verordnung wurde am 22.01.2021 im Bundesanzeiger (BAnz AT 22.01.2021 V1) veröffentlicht und erweitert die bisherigen Regelungen. Sie tritt am 27.01.2021 in Kraft.

Bereits jetzt galt nach den bisherigen Arbeitsschutzregelungen, dass die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zu anderen Personen und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Betrieb, wo immer dies möglich ist, einzuhalten ist. Davon umfasst sind Kantinen und Pausenräume. In Sanitärräumen ist der Arbeitgeber verpflichtet Flüssigseife und Handtuchspender zur Verfügung zu stellen und die vorgenannten Räumlichkeiten ausreichend und regelmäßig zu lüften.

Die neueren Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 sehen weitreichendere Verpflichtungen vor, die behördlich kontrollierbar und vorerst bis zum 15.03.2021 befristet sind. Die dortigen Vorschriften sind in Teilen konkret und nachvollziehbar ausgestaltet und geben dem Arbeitgeber überwiegend ein Regelungswerk an die Hand, an dem er sich zumindest orientieren kann. Im Wesentlichen beschränkt sich die Verordnung dabei auf die Teilbereiche Kontaktreduktion im Betrieb (§ 2 Corona-ArbSchV), auch unter Einführung von Home-Office (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV) und das Bereitstellen und Tragen von Mund-Nasen-Schutz (§ 3 Corona-ArbSchV).

• Reduzierung betriebsbedingter Zusammenkünfte mehrerer Personen auf das betriebsnotwendige Minimum

Wichtigstes Merkmal der Verordnung ist die Reduzierung „betriebsbedingter Zusammenkünfte mehrerer Personen auf das betriebsnotwendige Minimum“ insbesondere durch Einsatz von Informationstechnologie. Lediglich wenn dies nicht möglich sein sollte, ist der Schutz der Mitarbeiter durch geeignete Abtrennungen und Lüftungsmaßnahmen zur Aerosolreduzierung zu gewährleisten, was im Einzelfall zu größeren Herausforderungen führen kann (§ 2 Abs. 2 und 3 Corona-ArbSchV).

Gleiches gilt in Räumen, deren Mindestfläche nicht ausreicht, um jeder dort arbeitenden Person eine Fläche von 10 Quadratmetern zur Verfügung zu stellen. Diese Personen sind durch regelmäßiges Lüften und Abtrennungen zwischen den Anwesenden zu schützen (§ 2 Abs. 5 Corona-ArbSchV).

Dabei sollen in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten möglichst kleine Arbeitsgruppen gebildet und Betriebsabläufe zur Kontaktreduzierung angepasst werden, was insbesondere durch zeitversetztes Arbeiten ermöglicht wird, soweit die betrieblichen Gegebenheiten dies zulassen. Hierdurch werden nach Wunsch des Gesetzgebers nicht nur Kontakte innerhalb des Betriebes eingeschränkt, sondern auch die Belastung des öffentlichen Nah- und Pendelverkehrs zum Betrieb gemindert, was u.a. als wichtigster Ansatzpunkt in der Pandemiebekämpfung gilt.

• Home-Office-Angebot des Arbeitgebers

Diesem Ziel folgend hat der Gesetzgeber nunmehr in § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV eine Verpflichtung des Arbeitgebers eingeführt, im Falle von Büroarbeit oder vergleichbarer Tätigkeit „Home-Office“ anzubieten. Dies setzt voraus, dass keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Der Gesetzgeber ist sich bewusst, dass eine einseitige Anordnung von Heimarbeit durch den Arbeitgeber auf Grund des arbeitsvertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht möglich ist. Eine gesetzliche, verpflichtende Einführung von Home-Office scheidet nach gegenwärtiger Rechtslage damit ebenso aus. Etwaigen Diskussionen, die dem Arbeitgeber diese Möglichkeit im Rahmen seines Direktionsrechts bei pandemischer Lage im Wege des billigen Ermessens nach § 106 GewO zugebilligt haben, sind damit der Boden entzogen.

Die Einführung von Home-Office ist nur noch auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder in Abstimmung mit dem Betriebsrat auf Basis einer Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 4 BetrVG möglich. Die Unterrichtung des Betriebsrats ist bei Einführung von Home-Office sogar verpflichtend, § 90 BetrVG. Für die Umsetzung ist es zwingend erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung des Arbeitnehmers gegeben sind, was insbesondere durch arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung sicherzustellen ist. Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung (Bearbeitungsstand 20.01.2021, 15:34 Uhr) sind die Anforderungen an den Heimarbeitsplatz jedoch begrenzt. Es besteht insbesondere keine Vorgabe den „Telearbeitsplatz“ am Maßstab des § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung auszurichten, was eine Einrichtung und Kontrolle des Arbeitgebers vorausgesetzt hätte. In der Praxis bietet es sich daher an, eine entsprechende Klausel zu vereinbaren mit der der Arbeitnehmer darauf hinweist, dass die Anforderungen bei ihm erfüllt sind.

Nur wenn der Telearbeit zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen, kann die Einführung vom Home-Office durch den Arbeitgeber abgelehnt werden. Die Behörde kann in diesem Fall die Darlegung der Gründe verlangen und die betroffene Arbeit sogar untersagen, wenn der Arbeitgeber der Anordnung nicht nachgekommen ist, § 22 Abs. 3 ArbSchG. Was betriebliche Gründe sind, sagt das Gesetz nicht und wird im Einzelfall notfalls unter Zuhilfenahme der Gerichte zu entscheiden sein.

• Bereitstellen von Mund-Nasen-Schutz

Zuletzt verpflichtet die Verordnung den Arbeitgeber zur Bereitstellung von Mund-Nasen-Bedeckungen, die über den bisherigen Standard von sog. Alltagsmasken, DIY-Masken, Behelfsmasken oder auch Community-Masken hinausgehen. Da die Schutzwirkung der vorgenannten Masken vom Design, dem Material, der Dichte und der Anzahl der Gewebelagen abhängig ist und keiner gesetzlichen Vorgabe oder Standard entspricht, sieht der Gesetzgeber den bisherigen Schutz nicht als ausreichend an und verlangt das Tragen von medizinischen Gesichtsmasken, FFP-2-Masken oder vergleichbaren Masken entsprechend der, der Verordnung beigefügten Anlage. Nur diese genormten Masken erachtet der Gesetzgeber, bedingt durch die Qualität des verwendeten Filtermaterials und ihre ergonomische, eng anliegende Gestaltung, für ausreichend. Nur mit diesen Masken soll der notwendige Fremdschutz gewährleistet sein.

Das Tragen der Masken gilt nach § 3 Abs. 1 Corona-ArbSchV immer dann, wenn die Anforderungen an die Raumbelegung nach § 2 der Verordnung (s. o.) oder der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann sowie bei Tätigkeiten bei denen mit Gefährdung durch erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist, was u.a. bei erhöhtem und lautem Sprechaufkommen der Fall sein soll.

Der Arbeitnehmer ist im Gegenzug verpflichtet die bereitgestellten Masken zu tragen.

Abweichungen sollen nach § 3 Abs. 3 Corona-ArbSchV nur dann möglich sein, wenn der Arbeitgeber ebenso wirksame Maßnahmen trifft, was in der Praxis schwer vorstellbar erscheint und ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich nur aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in die Verordnung aufgenommen worden ist.

Als Anlage enthält die Corona-ArbSchV eine Auflistung von einsetzbaren Atemschutzmasken, die der Gesetzgeber für „vergleichbar“ zu den medizinischen und den FFP-2-Masken gem. § 3 Abs. 1 ArbSchV hält und die dem Arbeitgeber eine Liste an Masken an die Hand gibt, die er ohne weitere Prüfung verwenden kann. Da es sich um medizinische Produkte handelt, ist der Arbeitnehmer bezüglich An- und Ablegens der Masken durch eine fachkundige Person zu unterweisen und die Masken nach Durchfeuchtung zu wechseln und zu entsorgen, da es sich hierbei überwiegend um Einmalprodukte handelt. Die Sicherstellung der richtigen Handhabung durch den Arbeitgeber wird jedoch nur ausweislich der Gesetzesbegründung vorgeschrieben und ist in der Verordnung so nicht ausdrücklich normiert. Ob dem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang sanktionell verfolgbare Pflichten auferlegt werden, bleibt abzuwarten.

Weitergehende Pflichten enthält die Verordnung nicht.

In jedem Fall erweitert die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die zur Eindämmung der Pandemie bereits getroffenen einschneidenden Maßnahmen im privaten und öffentlichen Bereich auf das betriebliche Umfeld und gibt dem Arbeitgeber zumindest Anhaltspunkte, wie er den Betrieb „Corona-konform“ ausrichten kann. Zur Ausgestaltung und Umsetzung etwaiger arbeitsvertraglicher Home-Office-Vereinbarungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie etwaiger Betriebsvereinbarungen von Arbeitgeber und Betriebsrat, sagt die Verordnung allerdings nichts, was insoweit der Rechtsanwendung verbleibt.

Eine Veröffentlichung der SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung finden Sie unter folgendem Link:

https://www.bundesanzeiger.de/pub/en/amtliche-veroeffentlichung?7

Gern helfen wir bei der entsprechenden Umgestaltung.

RA Karl Neumann, LL.M.

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