Aus dem CovInsAG wird das SanInsKG

21. Oktober 2022

Zur Umsetzung des Maßnahmenpakets des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen vom 3. September 2022 wird das Insolvenzrecht weiter angepasst. In dem Maßnahmenpaket wurde u.a. eine Erleichterung bei der Insolvenzantragspflicht gefordert, so dass „Unternehmen, die im Kern gesund und auch langfristig unter den geänderten Rahmenbedingungen überlebensfähig sind, (…) ihre Geschäftsmodelle anpassen können.“

Der Bundestag beschloss nunmehr am 20.10.2022 auf Empfehlung des Rechtsausschusses (Drucksache 20/4087) das „Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes“. Zwar hat das Insolvenzrecht keinen unmittelbaren Bezug zu dem Güterrechtsregister, dennoch wurde der Gesetzentwurf im federführenden 6. Rechtsausschuss um die sanierungs- und insolvenzrechtlichen Regelungen ergänzt, um entsprechend schnell auf die aktuellen Verhältnisse und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten reagieren zu können. Denn diese belasten nicht nur die wirtschaftliche Situation von Unternehmen, sondern erschweren insbesondere auch die gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensplanung.

Im Ergebnis wird damit das bestehende COVInsAG umbenannt in das „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen“ (SanInsKG). Das Gesetz soll damit nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur die Folgen der Covid-19 Pandemie erfassen, sondern auch andere Krisenfolgen, wie u.a. die aktuelle Energiekrise, abfedern. Die Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht gehen mit einer Änderung des § 4 COVInsAG a.F. bzw. nunmehr § 4 SanInsKG einher.

Insbesondere reduziert sich der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung (§§ 15a, 19 InsO) von zwölf auf vier Monate. Die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen (§§ 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO, 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) reduzieren sich von sechs auf vier Monate. Zudem wird die Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung von sechs auf acht Wochen verlängert. Die Regelungen sollen bis zum 31. Dezember 2023 gelten. Eine generelle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gibt es somit nicht.

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Der Kryptoverwahrer Nuri wird nicht fortgeführt

18. Oktober 2022

Gespräche mit Investoren gescheitert

Die CEO des Kryptoverwahrers Nuri, Frau Kristina Walcker-Mayer, erklärte am 18.10.2022, dass eine Fortführung der Finanzdienstleistungen nicht möglich ist.
Die Gespräche mit potentiellen Investoren verliefen nicht erfolgreich. Eine Fortführung komme daher nicht in Betracht. Gleichzeitig sollen die Gelder der Kunden jedoch sicher sein und idealerweise bis zum 18.12.2022 abgehoben werden.

Brief der CEO Kristina

In einem auf der Internetseite von Nuri veröffentlichten Brief heißt es:

„Wichtige Kundeninformation: Nuri wird die Geschäftstätigkeit am 18.12.2022 einstellen.“

und weiter:

„Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens haben wir in den letzten drei Monaten sehr eng mit unseren Insolvenzverwaltern an einem Sanierungsplan gearbeitet und versucht, einen potentiellen Käufer zu gewinnen, um unsere Geschichte fortzuführen. Leider ist es uns nicht gelungen, Investoren zu finden, um unsere Mission fortzusetzen.“

Alle Guthaben auf den Nuri Konten sollen – so CEO Kristina Walcker-Mayer – sicher sein und seien von der Insolvenz von Nuri nicht betroffen. Der Kryptohandel soll noch bis zum 30.11.2022 möglich sein. Nach dem 18.12.2022 werde das Unternehmen sodann terminiert und liquidiert.

Der gesamte Brief ist abrufbar unter: https://nuri.com/de/blog/letter-from-ceo/

Vorläufiges Insolvenzverfahren seit 09.08.2022

Im Juli 2022 hatte der US-Anbieter Celsius die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt. Da das deutsche Fintech-Unternehmen und Kryptoverwahrer Nuri (vormals Bitwala) eng mit Celsius kooperierte, geriet auch Nuri in finanzielle Schwierigkeiten. Seit dem 09.08.2022 ist das vorläufige Insolvenzverfahren vor dem Insolvenzgericht Berlin Charlottenburg (Az. 36n IN 4212/22) anhängig.

Die Insolvenzeröffnung bleibt indes abzuwarten.

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Behandlung von digitalen Werten und Kryptoassets in Krise und Insolvenz:

17. Oktober 2022

Dr. Marc d’Avoine hat Fachvortrag beim ISR der Uni Düsseldorf gehalten

Krypotowerte spielen eine zunehmend wichtige Rolle für die globalen Finanzsysteme – das gilt auch in Krise und Insolvenz. Ob und wie künftig eine staatliche Kontrolle oder Regulierung erfolgen kann oder soll, ist allerdings noch offen. Bei der Jahrestagung des Instituts für Insolvenz- und Sanierungsrecht der Universität Düsseldorf und der Düsseldorfer Vereinigung für Insolvenz- und Sanierungsrecht e.V. drehte sich passend dazu alles um die „Herausforderungen“ in der Insolvenz- und Sanierungspraxis im Dschungel neuer Technologien und unbequemer Gesetze. RA Dr. Marc d’Avoine war mit einem Fachvortrag dabei.

Kryptowährungen: Technik, Besteuerung, Insolvenz und mehr

Wie lässt sich die Sicherung, Behandlung, Verwertung und Besteuerung von Kryptowerten durchführen? Vor etwa 200 Teilnehmern befasste sich d’Avoine in seinem Vortrag „Kryptowerte: Art – Einordnung – Behandlung in Krise und Insolvenz“ im Detail mit Kryptowerten in Krise und Insolvenz.

Dabei wurden folgende Themen behandelt:

  • Grundlegende Technik (Blockchain, Token und Coins, Wallet)
  • Behandlung in Insolvenz
  • Verwertung in der Insolvenz
  • Besteuerung von Kryptowerten
  • Europäische Regulierung
  • Insolvenz des Kryptoverwahrers

Sie haben konkrete Fragen zu digitalen Werten und Kryptoassets? Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu Dr. Marc d’Avoine auf.

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Gesetzesinitiativen und BMF-Schreiben vom 06.10.2022 zu Handlungsspielräumen der Finanzverwaltung als Folge des Ukrainekriegs

10. Oktober 2022

Fundamentale Krisen, vor allem Ukraine und Energie beschäftigen die gesamte Gesellschaft. Regierung und Verwaltung reagieren mit gezielten Maßnahmen und finanziellen Regelungen. Zur Zeit kann etwa zu den jüngsten rechtlichen und fiskalpolitischen Maßnahmen gesagt werden.

Entwurf einer Formulierungshilfe der Koalitionsfraktionen zur Umsetzung der insolvenzrechtlichen Vorgaben aus dem 3. Entlastungspaket
Das Bundeskabinett hatte am 05.10.2022 den von dem Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann vorgelegten Entwurf einer Formulierungshilfe der Koalitionsfraktionen zur Umsetzung der insolvenzrechtlichen Vorgaben aus dem 3. Entlastungspaket beschlossen.

https://www.bundesregierung.de/beschluss
Demnach sind div. vorübergehende Regelungen im Insolvenzrecht vorgesehen. U.a. soll der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung verkürzt werden. Bei der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung nach § 15a InsO soll der Prognosezeitraum für die sogenannte „insolvenzrechtliche Fortführungsprognose“ von zwölf auf vier Monate herabgesetzt werden. Die Regelung soll bis zum 31. Dezember 2023 gelten. Das Kabinett betont, dass bereits ab dem 1. September 2023 der ursprüngliche Prognosezeitraum von 12 Monaten wieder relevant werden kann, wenn absehbar ist, dass auf Grundlage der ab dem 1. Januar 2024 wieder auf einen 12-monatigen Zeitraum zu beziehenden Prognose eine Überschuldung bestehen wird. Die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit bleibt von der Regelung unberührt. Ferner sollen auch die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen von sechs auf vier Monate verkürzt werden.

BMF-Schreiben vom 06.10.2022 zu Handlungsspielräumen der Finanzverwaltung als Folge des Ukrainekriegs, IV A 3 – S 0336/22/10004 :001
Auch die Finanzverwaltung will die gestiegenen Energiekosten als Folge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine berücksichtigen. Mit Schreiben vom 06.10.2022 beschreibt das BMF Handlungsspielräume der Finanzverwaltung als Folge des Ukrainekriegs.
https://www.bundesfinanzministerium.de/Abgabenordnung/2022-10-05/-ukraine-finanzaemter-handlungsspielraum

Es heißt zusammenfassend:

„Das Bundesministerium der Finanzen hat im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ein BMF-Schreiben erlassen, nach dem die Finanzämter die ihnen gesetzlich zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume im Interesse der erheblich betroffenen Steuerpflichtigen nutzen sollen. Ohne strenge Nachweispflichten sollen im Einzelfall auf Antrag fällige Steuern gestundet, Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer angepasst werden sowie Vollstreckungsaufschub gewährt werden.“

Das Schreiben führt dann im Einzelnen aus:

„Der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine stellt eine Zäsur dar. Die daraufhin erfolgten Sanktionen der EU waren und sind notwendig. Die Folgewirkungen des Krieges und der Sanktionen sind auch für die Bevölkerung und Unternehmen in Deutschland schwerwiegend.
Die Finanzämter werden diese besondere Situation bei nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffenen Steuerpflichtigen angemessen berücksichtigen. Den Finanzämtern stehen im Rahmen der allgemeinen rechtlichen Vorgaben neben der Herabsetzung von Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer eine Reihe von Billigkeitsmaßnahmen zur Verfügung, um sachgerechte Entscheidungen treffen zu können. Genannt seien hier insbesondere die Stundung oder die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung (Vollstreckungsaufschub).
Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern gilt hierzu Folgendes:
In jedem Einzelfall ist unter Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, inwieweit ggf. die Voraussetzungen für eine steuerliche Billigkeitsmaßnahme vorliegen. Die Finanzämter schöpfen den ihnen hierbei zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum verantwortungsvoll aus.
Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sind bei bis zum 31. März 2023 eingehenden Anträgen keine strengen Anforderungen zu stellen. Über Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen oder Anpassung der Vorauszahlungen unter Einbeziehung der aktuellen Situation soll zeitnah entschieden werden. Auch eine rückwirkende Herabsetzung von Vorauszahlungen für das Jahr 2022 ist im Rahmen der Ermessensentscheidung möglich.
Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann im Einzelfall aus Billigkeitsgründen verzichtet werden. Voraussetzung hierfür ist u. a., dass der Steuerpflichtige seinen steuerlichen Pflichten, insbesondere seinen Zahlungspflichten, bisher pünktlich nachgekommen ist und er in der
Vergangenheit nicht wiederholt Stundungen und Vollstreckungsaufschübe in Anspruch genommen hat, wobei Billigkeitsmaßnahmen aufgrund der Corona-Krise nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. In diesen Fällen kommt ein Verzicht auf Stundungszinsen in der Regel in Betracht, wenn die Billigkeitsmaßnahme für einen Zeitraum von nichtmehr als drei Monaten gewährt wird.
Des Weiteren gelten die verlängerten Steuererklärungsfristen für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2024 (Artikel 97 § 36 Absatz 3 EGAO).“

Fazit:

Es wird also im Einzelfall darauf ankommen, was und wie die Steuerpflichtigen ihr Anliegen beim jeweils zuständigen Finanzamt anbringen und ggf. erörtern können, damit letzteres „diese besondere Situation … angemessen berücksichtigen kann“. Den Finanzämtern stehen durchaus „Billigkeitsmaßnahmen“ zur Verfügung. Wie im konkreten Fall „sachgerechte Entscheidungen“ vom FA getroffen werden können, ist im Zweifel im Dialog zu klären.

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StaRUG: Änderungen im Planverfahren u.a.

4. Oktober 2022

Die EU-Richtlinie 2019/1023 über „…Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren…“ (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) führte zum deutschen Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG). Das SanInsFoG gilt seit dem 01.01.2021 und beinhaltet vor allem das „Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) mit den Möglichkeiten eines Restrukturierungsplans.

1. Grundkonzept präventiver Restrukturierungsrahmen und Restrukturierungsplan

Der präventive Restrukturierungsrahmen ist das Kernstück des StaRUG. Es handelt sich um ein (vorinsolvenzliches) gerichtsarm ausgestaltetes Sanierungsinstrument. Strukturell siedelt sich der Restrukturierungsrahmen zwischen dem Insolvenzplanverfahren, welches ebenso einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger bedarf, und der außergerichtlichen Sanierung, die nur im Konsens aller Gläubiger erfolgen kann, an.

Die Umsetzung eines Restrukturierungsvorhabens gegen den Widerstand einzelner Gläubiger war bis zum StaRUG nur im Insolvenzplanverfahren möglich, welches aber ebenso kostspielig wie zeitintensiv sein kann. Die außergerichtliche Sanierung hingegen ist auf die Kooperation aller Gläubiger angewiesen, sodass einzelne Gläubiger das außergerichtliche Sanierungsvorhaben blockieren können. Dieses Bewusstsein der Gläubiger hemmt die Bereitschaft, Eingeständnisse im außergerichtlichen Sanierungsverfahren zu machen.

Der Restrukturierungsrahmen steht nach § 29 Abs. 1 StaRUG allen Unternehmen offen, die „nur“ drohend zahlungsunfähig i.S.v. § 18 InsO sind. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das SanInsFoG bestimmt den Prognosezeitraum auf regelmäßig 24 Monate. Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit verlangt zudem die vollständige richterliche Überzeugung, die im Rahmen der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 S. 1 StaRUG zu bilden ist (vgl. AG Köln, Beschluss vom 3.3.2021 – 83 RES 1/21).

Das Restrukturierungsvorhaben wird maßgeblich durch den Restrukturierungsplan (§§ 5 ff. StaRUG) geprägt, wobei die Planinitiative vom Schuldner ausgehen muss. Dieser hat das Restrukturierungsvorhaben gem. § 17 Abs. 1 StaRUG nach Maßgabe des vorgelegten Plans durch eigenständige Verhandlungen mit seinen Gläubigern voranzutreiben. Etwaige Vollstreckungs- bzw. Verwertungssperren bedürfen jedoch einer gerichtlichen Anordnung.

Zudem kann beim zuständigen Restrukturierungsgericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, dem jedoch, anders als im Insolvenzverfahren, nur eine moderierende Aufgabe zukommt. Sollen im Rahmen des von der Schuldnerin vorgelegten Restrukturierungsplans indes die Rechte von mittleren, kleinen und Kleinstunternehmern mitgestaltet werden, so muss nach § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StaRUG von Amts wegen ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden. Ziel der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten ist es, für eine sachgerechte Interessenwahrung für die vom Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger zu sorgen.

Das Planangebot des Schuldners steht gem. § 18 StaRUG unter der Bedingung, „dass sämtliche Planbetroffene zustimmen oder dass der Plan gerichtlich bestätigt wird“. Um zu verhindern, dass ein Restrukturierungsvorhaben an dem Widerstand einzelner, z.T. geringfügig tangierter, Gläubiger scheitert, werden die Planbetroffenen entsprechend ihres rechtlichen Status und dem Umfang ihrer Gläubigerstellung in Gruppen eingeordnet, die dann repräsentativ an der Abstimmung über das Planangebot des Schuldners teilnehmen. Innerhalb der einzelnen Gruppen genügt gem. § 25 Abs. 1 StaRUG zur Planzustimmung eine qualifizierte Gläubigermehrheit von 75 Prozent.

2. Änderungen des StaRUG in Bezug auf den Restrukturierungsplan per 27.07.2022

Das StaRUG ist bereits zum 27.07.2022 geändert worden, und zwar durch Artikel 12 des „Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften“. Bisher sah § 45 Abs. 3 StaRUG vor, dass die Planbetroffenen zum Abstimmungstermin über den Restrukturierungsplan zu laden sind, was aber durchaus ohne gleichzeitige Versendung des Plans vor dem Termin an die Planbetroffenen geschehen konnte. Nunmehr muss schon mit der Ladung zum Anhörungstermin nach § 48 StaRUG auch der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beigefügt werden. Erfolgt das nicht, kann das Gericht die Bestätigung des Plans verweigern, § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG. Es reicht aber aus, wenn der aktuelle Planentwurf beigefügt wird.

Die betroffenen Gläubiger sollen rechtzeitig informiert werden, was sich erklärt, wenn in ihre Rechte eingegriffen werden soll. Die Zustellung macht das Gericht aber in der Regel nicht selbst, sondern übertragt diese Obliegenheit auf den Schuldner, § 45 Abs. 3 S. 3 StaRUG, der dann mit der Zustellung der Ladung zum Abstimmungstermin auch den Plan bzw. den aktuellen Entwurf nebst Anlagen übersendet.

Danach ist aber wieder das Gericht originär aktiv. Nach § 65 Abs. 2 S. 2 StaRUG muss das Gericht einen im Abstimmungstermin geänderten Plan (Regelfall) nach Bestätigung zwingend an die Planbetroffenen versenden. Bei unverändertem Plan muss das Gericht jedenfalls den Hinweis auf die Bestätigung an alle Planbetroffenen versenden.

In vielen Fällen sind mehrere Dutzend Gläubiger betroffen, mitunter auch mehr als 100. Wenn das Gericht den Plan mit Kopien/Abschriften zustellen muss, kann das bei der Justiz logistische Herausforderung bedeuten, was zu Verzögerungen führen kann. Nun eilen die Sachen aber meist, weil die Pläne i.d.R. Fristen und Termin sowie Stichtage enthalten. Um auch hier schneller zu werden, wäre eine weitere gesetzliche Änderung sinnvoll, nämlich die erweiterte Möglichkeit der Übertragung der Versendung an den Schuldner oder Restrukturierungsbeauftragten. Abzuwarten bleibt, ob das StaRUG noch einmal angepasst wird.

3. Speziell: Versagung der Bestätigung des Plans bei fehlerhafter Unternehmensbewertung im Rahmen des „nächstbesten Szenarios“ nur bei Antrag eines Gläubigers und vorherigem Widerspruch dieses Gläubigers im Abstimmungstermin

§ 63 Abs. 2 StaRUG regelt jetzt (neu), dass im Falle einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung („cross-class-cram-down“) die Bestätigung des Plans wegen fehlerhafter Bewertung des nächstbesten Alternativszenarios nur sofort und nur unter bestimmten Bedingungen versagt werden kann: Ein hierdurch benachteiligter Planbetroffener muss dies im Wege der sofortigen Beschwerde beantragen. Ein solcher Antrag ist nur dann zulässig, wenn der Planbetroffene zuvor im Abstimmungstermin ausdrücklich widersprochen hat. Kommt der Widerspruch nicht, ist auch die sofortige Beschwerde unzulässig. Es reicht daher nicht, im Abstimmungstermin zu fehlen. Das wirkt zwar wie eine Gegenstimme zum Plan, jedoch ist das halt noch kein Widerspruch gegen den Plan.

4. Restrukturierungsbeauftragter mit neuen Aufgaben

Eine relevante Figur im Restrukturierungsverfahren ist der Restrukturierungsbeauftragte (RB). Nach dem neuen § 76 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG hat der von Amts wegen bestellte RB nun auch die Aufgabe, den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans zu unterstützen. Das hat der aktive und kreative RB auch schon vor der Gesetzesänderung als seine – allerdings untergeordnete – Aufgabe verstanden und unterstützt; nun ist es Teil des StaRUG.

Der RB arbeitet nach Stundensätzen, welche das Gericht festsetzt, meist zwischen € 250,00 und € 300,00 /h + USt., in begründeten Ausnahmefällen auch höher. Die neuen Aufgaben werden die Kosten des Restrukturierungsbeauftragten jetzt erhöhen, der RB ist halt stärker eingebunden und länger aktiv. Damit entfernt sich der Gesetzgeber etwas von dem Ansatz eines kostengünstigen Sanierungsverfahrens. Zudem erscheint die Neureglung wegen der grds. Unabhängigkeit und Neutralität des Restrukturierungsbeauftragten schwierig. Er war nach der Grundkonzeption ein überwachender Mediator. Der „neue“ Restrukturierungsbeauftragte soll jetzt den Plan mitausarbeiten und mitverhandeln. Das Dilemma sollte bedacht werden; der umsichtige RB wird in der Praxis seine Tätigkeiten genau abzuwägen haben. Zudem wird er das Gericht exakt über alle Tätigkeiten, Mitwirkungen und Schritte per Bericht zu informieren haben, damit evtl. Konflikte jedenfalls rechtzeitig aktenkundig und damit allen Beteiligten bekannt sind.

5. FAZIT: StaRUG und ESUG

ESUG 2011 und StaRUG 2021/2022 enthalten heute diverse wirksame Sanierungsinstrumente. Der Restrukturierungsrahmen kennt einen Plan, der dem im Insolvenzplanverfahren ähnelt. In allen Fällen werden grds. Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger notwendig. Aber die Umsetzung eines Plans oder Restrukturierungsvorhabens gegen den Widerstand einzelner Gläubiger ist durchaus möglich. Die „deutsche Antwort“ auf das englische Scheme of arrangement passt.

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