Die Unternehmensplanung in Krisenzeiten

8. Juli 2022

Die Covid-19 Pandemie, die Halbleiterkrise und der Ukraine-Krieg haben in den vergangenen Monaten die deutsche Wirtschaft erheblich belastet. Die Auswirkungen in Form von Rohstoffknappheit, Lieferkettenproblemen, gestiegenen Material- und Personalkosten und insbesondere massiv gestiegenen Energiekosten sind markant. Einzelne Branchen, z.B. der Anlagenbau oder die Automobilzulieferer, standen bereits vor Corona unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Die Situation für die Unternehmen hat sich jedoch erheblich verschärft. Die derzeitige Gaskrise ist für viele Unternehmen nun existenzbedrohend und eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht.

Unternehmensplanung im Rahmen der Krisenfrüherkennung

Die Geschäftsführer einer juristischen Person sind nach § 1 Abs. 1 S. 1 StaRUG dazu verpflichtet, fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, welche den Fortbestand des Unternehmens gefährden können. Die Insolvenzgründe der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind somit zu überwachen. Dazu gehört im Rahmen der Krisenfrüherkennung insbesondere die Erstellung einer Unternehmensplanung.
Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das bloße Fortschreiben der Unternehmensplanung mit historischen Werten nicht mehr zu belastbaren Ergebnissen führt. Ein Blick in die Zukunft ist für die Geschäftsführer jedoch mit Unwägbarkeiten behaftet. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Prognosezeitraum für die Ermittlung einer (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit in aller Regel 24 Monate beträgt. Eine belastbare Aussage über die weiteren Krisenverläufe zu treffen ist selbst auf Wochenbasis aktuell schon nahezu unmöglich. Wie kann dann eine belastbare Planung für die nächsten 24 Monate erstellt werden?

Rollierende Planung als Grundlage

Grundsätzlich sollte auf Grundlage einer vollständigen kurzfristigen operativen und langfristigen strategischen Unternehmensplanung (inkl. Absatz-, Produktions- und Investitionsplanung) eine laufend zu aktualisierende Liquiditätsplanung mit einem Planungszeitraum von 24 Monaten erstellt werden. Die Liquiditätsplanung muss mindestens die aktuell verfügbaren liquiden Mittel (Bankenbestand, KK-Linie, Kassenbestand), die Ein- und Auszahlungen anhand der OP-Debitoren und OP-Kreditoren unter Einbeziehung der entsprechenden Fälligkeiten, die Auftragsliste bzw. Businessplan mit entsprechenden Zahlungszielen, wiederkehrende Auszahlungen für Dauerschuldverhältnisse, Steuerverbindlichkeiten, Personalkosten, Sozialversicherungen, notwendige Investitionen sowie sonstige anfallende Ein- und Auszahlungen berücksichtigen. In der Folge sind vor dem Hintergrund des „Ausgleichgesetzes der Planung“ sowohl positive als auch negative Abweichungen in den Planungen regelmäßig zu prüfen, zu bewerten und schließlich in der rollierenden Planung ggf. auf allen Stufen angepasst abzubilden (Soll-Ist-Vergleich).

Szenario-Analyse zur Darstellung von Unwägbarkeiten

Das Prinzip Hoffnung als Planungsgrundlage ist in Krisenzeiten nicht ausreichend. Aufgrund der unsicheren Krisenlage, sollten Geschäftsführer daher den Fokus auf die strategische Szenario-Analyse legen. Hierbei werden mögliche Entwicklungen, erkannte Risiken und deren potentielle Auswirkungen auf das Unternehmen in Extremszenarien (Best-Case/Worst-Case) sowie ein wahrscheinliches Szenario (Trendszenario) definiert, um „Überraschungen“ möglichst zu vermeiden. Das bedeutet für Geschäftsleiter zwar einen erheblichen Aufwand, liefert aber zugleich einen guten Überblick auf mögliche Entwicklungen in der Zukunft. Die Unternehmensstrategie kann somit frühzeitig überprüft und ggf. angepasst werden.

Fazit

Im Ergebnis müssen Geschäftsleiter aktuell genauer denn je potentielle unternehmensinterne und externe Krisensignale im Blick haben. Werden derartige Krisensignale identifiziert, müssen deren Risiken und möglichen Folgen für das Unternehmen bewertet bzw. definiert werden. Insbesondere steigende Energiekosten, Nachfragerückgänge, Lieferprobleme seitens der Lieferanten, Kürzung von Zahlungszielen oder Forderungsausfälle müssen unmittelbar hinterfragt und in der Planung berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass sämtliche Entscheidungs- und Planungsgrundlagen nachvollziehbar dargelegt und dokumentiert werden, um ein Haftungsrisiko im Fall einer Fehleinschätzung möglichst zu vermeiden.

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Wichtige Änderungen im Arbeitsrecht!

6. Juli 2022

Sind Ihre Arbeitsverträge für den 01.08.2022 gerüstet?

Fast unbemerkt schleicht sich die Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie (2019/1152/EU (ABRL)) durch den Deutschen Gesetzgeber heran. Nämlich voraussichtlich bereits zum 01.08.2022.

Welche Konsequenzen hat dies für bestehende und neue Arbeitsverträge?

Folgen für das Nachweisgesetz

Umfangreiche Änderungen finden sich im Nachweisgesetz (NachwG). Bisher sind die Pflichten aus dem Nachweisgesetz stiefmütterlich behandelt worden. Das hat einen guten Grund. Zwar führt das Gesetz einen umfangreichen Katalog an schriftlich niederzulegenden Arbeitsbedingungen auf, gleichzeitig regelt es aber auch, dass diese Pflicht hinfällig wird, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, in dem die in dem Katalog genannten Bedingungen enthalten sind. Dies dürfte aber in der allergrößten Mehrheit der Arbeitsverhältnisse der Fall sein, handelt es sich doch um die Punkte

  1. den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien,
  2. den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
  4. den Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann,
  5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
  6. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,
  7. die vereinbarte Arbeitszeit,
  8. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
  9. die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
  10. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

Diese Angaben sind in der Regel ohnehin im Arbeitsvertrag enthalten. Das Nachweisgesetz war praktisch ein zahnloser Tiger. Der Gesetzgeber hat ihm jedoch ein neues Gebiss eingesetzt.

Ein neues Gebiss für das Nachweisgesetz

Zunächst ist der Katalog umfangreich erweitert worden, was in einigen Fällen keine wesentlichen Auswirkungen hat, weil auch die Katalogerweiterung Arbeitsbedingungen betrifft, wie sie in der Regel ohnehin in Arbeitsverträgen enthalten sind:

  • Bei befristeten Arbeitsverhältnissen das Enddatum (ohnehin erforderlich)
  • Eine etwa vereinbarte freie Wählbarkeit des Arbeitsortes
  • Die vereinbarte Dauer einer Probezeit
  • Alle weiteren Bestandteile des Arbeitsentgeltes wie etwa Überstundenvergütung sowie die Art der Auszahlung der Vergütung
  • Ruhepausen, Schichtrhythmus, Schichtsystem, Voraussetzungen für Schichtänderungen
  • Detaillierte Regelungen zur Arbeit auf Abruf
  • Voraussetzungen zur Anordnung von Überstunden (soweit vereinbart)
  • Etwaiger Anspruch auf Fortbildung (soweit vereinbart)
  • Detaillierte Informationen über eine etwaig vereinbarte betriebliche Altersversicherung
  • Ein „in allgemeiner Form gehaltener Hinweis“ auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, paritätisch besetzte Kommissionen, kirchliches Arbeitsrecht.

Allerdings gibt es im Bereich des NachwG auch ein paar kritische Änderungen, die Arbeitgebern erhebliche Bauchschmerzen verursachen dürften.

Information über das Kündigungsverfahren und Fristen

Nach der neuen Ziffer 14. des Katalogs ist

„das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage“

anzugeben.

Was aber zählt zum „einzuhaltenden Verfahren“ bei Kündigungen? Die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes sehen etwa auch in bestimmten Fällen eine nachträgliche Klagezulassung bei Versäumen der Frist vor. Ist ein Kurzkommentar des Kündigungsschutzgesetzes erforderlich?

Die vermeintliche Hilfe des Gesetzgebers, der sich mit drei Mindestangaben begnügen möchte, erweist sich als zweischneidige Klinge, denn diese Einschränkung findet sich in der Europäischen Richtlinie nicht. Ein Arbeitgeber, der sich auf die Mindestangaben verlässt könnte daher bald von einem Gericht belehrt werden, dass die richtlinienkonforme Auslegung des Gesetzes eine Beschränkung der Verfahrensangaben nicht zulässt-

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet der Gesetzgeber womöglich in § 2 Abs. 4 S. 2 des neuen NachwG. Hier ist vorgesehen, dass in den Fällen, in denen das gesetzliche Kündigungsverfahren gilt, auf die gesetzliche Regelung verwiesen werden kann. Insofern dürfte es möglich (aber mindestens auch erforderlich) sein, die üblichen Klauseln im Arbeitsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beispielsweise wie folgt zu ergänzen:

„Sofern in diesem Vertrag nicht anders vereinbart, richtet sich das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnis von den Vertragsparteien einzuhaltende Verfahren, insbesondere Schriftform und Fristen für die Kündigung, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach den gesetzlichen Regelungen. Hierzu gehören das Kündigungsschutzgesetz und – sofern anwendbar – das Betriebsverfassungsgesetz. Besonderheiten zum bei Kündigungen einzuhaltenden Verfahren können sich auch aus den auf dieses Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertragsvorschriften oder Betriebs- oder Dienstvereinbarungen ergeben.“

Neue Fristen im Nachweisgesetz

Anders als bisher wird es vier Fristen geben, zu denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die erforderlichen Informationen über die Arbeitsbedingungen mitteilen muss:

  • Name, Anschrift (Nr.1), Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgeltes (Nr.7) und vereinbarte Arbeitszeit (Nr.8) müssen spätestens am Tag der Arbeitsaufnahme schriftlich vorliegen
  • Zeitpunkt des Beginns (Nr.2), Dauer der Probezeit (Nr.6), Vereinbarungen zur Arbeit auf Abruf (Nr.9) und Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden (Nr. 10) müssen spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich fixiert werden
  • Die übrigen Punkte aus dem Katalog müssen spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn in schriftlicher Form ausgehändigt werden.
  • Sofern sich wesentliche Vertragsbedingungen ändern, müssen sie spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam werden, schriftlich mitgeteilt werden.

Betrifft das auch bestehende Arbeitsverträge?

Bestehende Arbeitsverträge sind von dieser Neuregelung insoweit betroffen, als dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlangen können, dass eine Niederschrift hinsichtlich der hier im Gesetz genannten Arbeitsbedingungen ausgehändigt wird. Der Arbeitgeber hat hierfür 7 Tage (für die Katalognummern 1-10), bzw. einen Monat (für die übrigen Katalognummern) Zeit.

Werden Verstöße sanktioniert?

Sofern der Arbeitgeber die Informationen „nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig“ aushändigt, begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 2.000,00 EUR geahndet werden kann.

Welche Gesetze sind noch von den Änderungen betroffen?

Nicht so umfangreiche, aber dennoch spürbare Änderungen finden sich im Teilzeit- und Befristungsgesetz wie auch im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz

In ersterem findet sich nunmehr die Pflicht des Arbeitgebers, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang des Wunsches eines Arbeitnehmers, Zeit und Lage seiner Arbeit zu verändern, eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Der Arbeitgeber wird hier besonders vorsichtig formulieren müssen, um etwaige Nebenwirkungen zu vermeiden.

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wird nunmehr ein Übernahmegesuch des Arbeitnehmers statuiert. Wenn der Entleiher einen Leiharbeitnehmer seit mindestens sechs Monaten beschäftigt und dieser in Textform den Wunsch auf Abschluss eines Arbeitsverhältnisses angezeigt hat, muss der Entleiher innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform mitteilen.

Schlussfolgerungen

Das Nachweisgesetz verlässt auf Umwegen sein Schattendasein. Die Neuregelungen insbesondere im Bereich über die Informationspflichten zum Kündigungsverfahren werfen erhebliche Fragen auf, die die Gerichte vermutlich erst in der Praxis lösen werden.

Zu guter Letzt gibt uns der direkte Vergleich der Richtlinie mit der geplanten Umsetzung einen Einblick in die mangelnde Digitalisierungsfreude des deutschen Gesetzgebers. Während die Richtlinie in Ziffer 24 vorsieht, dass Informationen „im Hinblick auf den verstärkten Einsatz von elektronischen Kommunikationsmitteln“ auch auf elektronischem Wege übermittelt werden können, fehlt eine solche Regelung in der Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber vollständig. Im Gegenteil. § 2 des NachwG schließt den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen in elektronischer Form sogar ausdrücklich aus. Das hat nicht nur ein faktisches Schriftlichkeitsgebot des Arbeitsvertrages zur Folge, es stellt auch einen (weiteren und unnötigen) Stolperstein in der digitalen Transformation des Arbeitsrechts dar.

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