(Fast) ein Jahr SanInsFOG und StaRUG und erste Erfahrungen

17. Dezember 2021

Insolvenzsysteme WHOA, Scheme of Arrangement und Schutzschirm seit 01.01.2021 im Wettbewerb

Nach dem „Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) aus 2013 ist das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFOG) zum 01.01.2021 die nächste „große Sanierungsreform“. Das SanInsFOG beinhaltet neben dem „Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) weitreichende gesetzliche Anpassungen im Bereich der InsO und des COVInsAG. Die Restrukturierungsmaßnahmen nach dem dt. „Schutzschirm“ gemäß § 270d InsO und der präventive Restrukturierungsrahmen nach StaRUG sind inzwischen im offensiven Wettbewerb mit dem englischen „Scheme-of-Arrangement“ und dem niederländischen „Wet Homologatie Onderhands Akkoord“ (WHOA).

1. Erste Erfahrungen mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen seit 01.01.2021

Der präventive Restrukturierungsrahmen ist das Kernstück des StaRUG, aber es wurde in 2021 eher selten angewandt. Es handelt sich um ein (vorinsolvenzliches) gerichtsarm ausgestaltetes Sanierungsinstrument. Strukturell siedelt sich der Restrukturierungsrahmen zwischen dem Insolvenzplanverfahren, welches ebenso einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger bedarf und der außergerichtlichen Sanierung, die nur im Konsens aller Gläubiger erfolgen kann, an.

Der Restrukturierungsrahmen steht allen Unternehmen offen, die „nur“ drohend zahlungsunfähig i.S.v. § 18 InsO sind. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das SanInsFOG bestimmt den Prognosezeitraum auf regelmäßig 24 Monate.

Das Restrukturierungsvorhaben wird maßgeblich durch den Restrukturierungsplan (§§ 4 ff. StaRUG) geprägt, wobei die Planinitiative vom Schuldner ausgehen muss. Dieser hat das Restrukturierungsvorhaben gem. § 17 Abs. 1 StaRUG nach Maßgabe des vorgelegten Plans durch eigenständige Verhandlungen mit seinen Gläubigern voranzutreiben. Etwaige Vollstreckungs- bzw. Verwertungssperren bedürfen jedoch einer gerichtlichen Anordnung. Zudem kann beim zuständigen Restrukturierungsgericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, dem jedoch, anders als im Insolvenzverfahren, nur eine moderierende Aufgabe zukommt. Das Planangebot des Schuldners steht gem. § 18 StaRUG unter der Bedingung, „dass sämtliche Planbetroffene zustimmen oder der Plan gerichtlich bestätigt wird“. Um zu verhindern, dass ein Restrukturierungsvorhaben an dem Widerstand einzelner, z.T. geringfügig tangierter, Gläubiger scheitert, werden die Planbetroffenen entsprechend ihres rechtlichen Status und dem Umfang ihrer Gläubigerstellung in Gruppen eingeordnet, die dann repräsentativ an der Abstimmung über das Planangebot des Schuldners teilnehmen. Innerhalb der einzelnen Gruppen genügt gem. § 25 Abs. 1 StaRUG zur Planzustimmung eine qualifizierte Gläubigermehrheit von 75 Prozent.

Als erstes Fazit für 2021 kann gesagt werden, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie richtig war und bleibt, der Restrukturierungsrahmen aber für kleinere Mittelständler oder Einzelunternehmer zu komplex und damit zu teuer ist. Die bislang niedrigen Fallzahlen können ein Indiz dafür sein, dass der Gesetzgeber möglicherweise doch besser den (auf der Zielgeraden fallen gelassenen) „Shift of Duties“ eingeführt hätte. Im Entwurf war nämlich vorgesehen, dass die organschaftliche Haftung verschärft werden sollte. Vorstände und Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hätten für Fehlverhalten künftig nicht mehr (nur) gegenüber ihrer Gesellschaft, sondern unmittelbar gegenüber betroffenen Gläubigern haften sollen; aber das führte eben nicht in das StaRUG. Und damit entfiel auch der Anreiz, evtl. besonders früh in ein StaRUG-Verfahren zu gehen, um für die Geschäftsleitung persönliche Haftung gegenüber Dritten zu vermeiden.

2. Bewertung der Neufassung der Insolvenzgründe

Durch das StaRUG erhält der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) eine neue Relevanz. Dieser Tatbestand ist von dem der Überschuldung (§ 19 InsO) abzugrenzen. Die Tatbestände haben mit 24 bzw. 12 Monaten unterschiedlich lange Prognosezeiträume. Der drohenden Zahlungsunfähigkeit, die zwar das Recht zur Stellung eines Insolvenzantrags begründet, nicht jedoch die Pflicht hierzu, wurde ein Prognosezeitraum hinzugefügt, welcher sich regelmäßig auf 24 Monate beläuft. Um Überschneidungen mit der Überschuldung zu verhindern, die eine Insolvenzantragspflicht begründet, wurde der für die Fortführungsprognose dort maßgebliche Zeitraum auf 12 Monate reduziert.

Unverändert bleibt die Pflicht, den Insolvenzantrag „ohne schuldhaftes Zögern“ zu stellen. Demgegenüber wurde die „Höchstfrist“, die sich bislang, ebenso wie bei der Zahlungsunfähigkeit, auf drei Wochen belief, auf sechs Wochen verlängert, § 15a Abs. 1 S. 2 InsO. Zu beachten ist, dass eine Ausreizung dieser Frist nur zulässig ist, wenn die realistische Chance besteht, die Überschuldung innerhalb von sechs Wochen abzuwenden. Anderenfalls ist bereits vor „Fristablauf“ unverzüglich ein Insolvenzantrag zu stellen.

3. NEU: Zahlungsverbote nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, § 15 b InsO

Die Insolvenzverschleppungshaftung des § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a InsO ist für jeden Geschäftsleiter wichtig und mitunter gefährlich. Im Wege des SanInsFOG wurden spezialgesetzlich verstreuten Zahlungsverbote ebenso wie die Ersatzpflicht im Falle eines Verstoßes in Form des § 15b InsO einheitlich und zentral geregelt. Wenngleich die jüngere Rechtsprechung des BGH die Position des Geschäftsleiters stärkt, birgt eine Betriebsfortführung in der Krise dennoch ein hohes Risiko. Zahlungen, vor allem auf – ungesicherte – Dienstleistungen müssen stets genau überlegt werden. Einzelne Zahlungen könnten trotz Insolvenzreife nach § 15b „privilegiert“ sein. Es kommt auf den Einzelfall an. Die bisherige BGH Rechtsprechung zum „Sorgfaltsmaßstab“ ist durch die Neueinführung des § 15 b InsO nicht obsolet geworden, sondern sie findet sich im § 15b wieder.

Während der Insolvenzantragsfrist des § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO gilt die Zahlungsprivilegierung gem. § 15 b Abs. 2 S. 2 InsO nur, wenn parallel dazu Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters getätigt werden. Eine solche Maßnahme könnte beispielsweise die Beauftragung eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts sein. An der Regelung des § 15 b Abs. 2 S. 2 InsO lässt sich die allgemeine Intention des Gesetzgebers erkennen. Im Vordergrund steht die Entschärfung der Geschäftsführerhaftung, die jedoch mit Blick auf die ihr entgegenstehenden berechtigen Drittinteressen einer Einschränkung bedarf. Der Gesetzgeber belässt dem Geschäftsführer auch in diesem schon weit fortgeschrittenen Stadium der Unternehmenskrise die operative Handlungsfähigkeit. Damit geht er ein hohes Risiko zulasten der Gläubiger ein. Zur Eindämmung dieses Risiko wird von dem Geschäftsführer eine besondere Sanierungsbereitschaft erwartet.

Die früher spezialgesetzlich geregelte Erstattungspflicht im Falle einer unzulässigen Zahlung der Geschäftsführung findet sich nunmehr in § 15 b Abs. 4 S. 1 InsO wieder. Sie wurde ebenfalls zwecks Schaffung von Rechtssicherheit und Transparenz näher konkretisiert. Im Gegensatz zu den alten spezialgesetzlich geregelten Erstattungspflichten regelt § 15 b Abs. 4 S. 2 InsO auch den in der Praxis sehr bedeutsamen Fall einer Zahlung, die zwar für die Gläubiger verwertbar ist, deren Gegenwert aber nicht äquivalent ist. Dies begründet keine vollumfängliche, sondern nur eine partielle auf den Differenzbetrag beschränkte Schadensausgleichspflicht. Auffällig ist hier insbesondere die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung. Ebenso wie in § 130 a HGB a.F. und anders als im § 64 GmbHG a.F. spricht der Gesetzgeber von einem „Schaden“. Dies suggeriert, dass der Erstattungsanspruch nunmehr als Schadensersatzanspruch zu klassifizieren ist, sodass er einer D&O Versicherung unterfällt. Dies wird mit Blick auf die Haftung des Geschäftsleiters im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren gem. § 276 a Abs. 2, Abs. 3 InsO untermauert.

4. Fazit und Ausblick

Das ESUG zum 01.01.2013 und das StaRUG zum 01.01.2021 brachten jeweils eine Fülle von Neuerungen, Möglichkeiten und Klarstellungen für Unternehmer, Gesellschafter und Geschäftsleiter. Das Insolvenzrecht wurde auch in 2021 fortentwickelt, vor allem, weil ab 2021 eine Sanierung via Restrukturierungsrahmen möglich ist. Das wurde in der Praxis bisher aber eher selten eingesetzt, weil das Verfahren recht komplex und teuer ist.

Die bisherigen Möglichkeiten eines Insolvenzplans – mit oder ohne Eigenverwaltung – bleiben erhalten, so dass es für den sanierungswilligen Unternehmen ausreichend Alternativen gibt. In jedem Fall bedarf es profunder Überlegungen des Unternehmers und eines erfahrenen „Lotsen“ im – nicht ungefährlichen – Fahrwasser einer Krise.

Das Insolvenzaussetzungsgesetz in der Praxis

14. Dezember 2021

Rechtshandlungen trotz ausgesetzter Insolvenzantragspflicht anfechtbar, wenn tatsächlich bereits Eigenantrag gestellt war

Seit Implementierung der zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen und der damit verbundenen Einschränkungen geschäftlicher Tätigkeiten von Unternehmen im März 2020 haben die staatlichen Ebenen mit verschiedenen Maßnahmen u.a. auch versucht, die Existenz der beeinträchtigten Unternehmen zu sichern. Dazu hat der Bundesgesetzgeber u.a. das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) erlassen. So wurde gemäß § 1 COVInsAG die in § 15a InsO normierte Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages ausgesetzt, soweit die dazu zwingenden Insolvenzgründe (nur) pandemiebedingt eingetreten waren.

Gleichzeitig wurden alle Beteiligten ermutigt, die Sanierungsbemühungen der pandemiebedingt kriselnden Unternehmen durch pragmatische Handhabung von Zahlungen, Zahlungsverpflichtungen und deren Modifizierungen zu unterstützen. Für diese Maßnahmen wird in einem späteren Insolvenzverfahren die Unanfechtbarkeit fingiert. Voraussetzung dafür ist aber, dass die neben dem Unternehmen weiteren Beteiligten nicht wussten, dass die mit den Bemühungen angestrebte Sanierung gar nicht erreichbar war (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG).

Was passiert, wenn der Eigenantrag bereits gestellt wurde?

Ausweislich eines nun bekannt gewordenen Hinweisbeschlusses des OLG München als Berufungsgericht vom 20.10.2021, Az. 5 U 4809/21 (Vorinstanz LG München I, Urteil v. 13.07.2021, 6 O 17571/20), war dort über die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung eines Unternehmens zu entscheiden, die vorgenommen worden war, als die Antragspflicht ausgesetzt war, tatsächlich aber bereits ein Eigenantrag gestellt war.

Beide Instanzen kamen zu dem Ergebnis, dass Rechtshandlungen dann nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG von der Anfechtung ausgeschlossen sind, wenn das schuldnerische Unternehmen von seinem Recht, den Insolvenzantrag ausnahmsweise nicht stellen zu müssen, keinen Gebrauch gemacht.

Begründung der Instanzgerichte

Denn zum einen habe der Gesetzgeber mit der Regelung des Insolvenzaussetzungsgesetzes lediglich beabsichtigt, dass die Sanierungsmaßnahmen nicht faktisch wirkungslos blieben, weil die Akteure ihre Bemühungen aus Angst vor dem Scheitern der Sanierung und späteren Anfechtung direkt unterließen. Zum anderen habe der Gesetzgeber lediglich die Fälle zu stützen beabsichtigt, in denen das Unternehmen selbst die Hoffnung auf seine eigene Sanierung nicht bereits aufgegeben habe und das Privileg der Ausnahme von der Pflicht zur Antragstellung auch im Zeitpunkt der fraglichen Handlung tatsächlich noch in Anspruch nehme, also gerade nicht bereits einen eigenen Insolvenzantrag gestellt habe. Die tatsächliche Stellung eines eigenen Insolvenzantrages dagegen zeige gerade, dass die Unternehmung die außerinsolvenzlichen Sanierungshoffnungen trotz Insolvenzaussetzungsgesetz aufgegeben habe.

Da die Gerichte aufgrund des Vorstehenden bereits zu der Überzeugung kamen, dass § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG vorliegend gar nicht erst anwendbar war, hatten sie nicht mehr zu entscheiden, ob der Anfechtungsgegner überhaupt von der Wirkung ausgenommen gewesen wäre, da er nicht Vertragspartner des Schuldners war.

Bewertung im konkreten Fall und generelle Indizwirkung des Eigenantrages

Die Entscheidung ist auf Basis der Entscheidungsgründe nachvollziehbar. Die Bedeutung des bereits gestellten Eigenantrages könnte aber ggf. anders zu bewerten sein, wenn sich nach dessen Stellung eine neue, aussichtreiche Sanierungschance aufgetan hatte, die mit der dann vorgenommenen Rechtshandlung verfolgt wurde. Hat ein erst nach Vornahme der Rechtshandlung eingetretenes weiteres Ereignis die Bemühungen im Ergebnis wieder aussichtslos werden lassen und ist der Eigenantrag bis dahin vorsichtshalber oder aus Zeitgründen zunächst noch und dann in der Folge auch endgültig stehengelassen worden, wird man in die Tatsache, dass ein Eigenantrag gestellt war, nicht ohne weiteres die Dokumentation des Scheiterns sämtlicher Bemühungen interpretieren können und die Rechtshandlung ggf. von der Anfechtung ausnehmen müssen.

(Un-)Anfechtbarkeit auch bei Vorliegen eines Fremdantrages

Spannend ist die zudem Frage, ob die Rechtshandlung auch dann anfechtbar gewesen wäre, wenn der Schuldner zwar von den Möglichkeiten des Insolvenzaussetzungsgesetzes Gebrauch gemacht hätte und (noch) keinen Eigenantrag gestellt gehabt hätte, jedoch ein zulässiger und begründeter Fremdantrag eines dritten Gläubigers vorgelegen hätte. Solche Anträge waren gemäß § 3 COVInsAG im Zeitraum zwischen dem 28.03.2020 und 28.06.2020 nur, wenn der Eröffnungsgrund bereits am 01.03.2020 (oder früher) vorlag, danach aber wieder unbeschränkt zulässig. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ist nur auf die ausgesetzte Antragspflicht und die nicht gescheiterten Sanierungsbemühungen abzustellen. Ob ein (dem Anfechtungsgegner bekannter) Fremdantrag das Scheitern der Sanierungsbemühungen zu dokumentieren geeignet ist, wird dann zu entscheiden sein. Automatisch dürfte das nicht anzunehmen sein, denn wenn die Sanierungsbemühungen tatsächlich aussichtsreich waren, wäre dem Gläubiger im Zeitpunkt der Antragstellung ggf. sogar ein Zuwarten bis zur Sanierung zuzumuten gewesen. Scheiterten die Bemühungen im Ergebnis aber erst nach der Vornahme der Rechtshandlung aufgrund einer weiteren, unvorhergesehenen Entwicklung, ließe sich in einem solchen Fall auch für die Ausnahme der Rechtshandlung von der Anfechtbarkeit argumentieren.

Rechtsanwalt Peter Mazzotti – Partner, Insolvenzverwalter

Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit „Null“

3. Dezember 2021

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021, Az. 9 AZR 225/21

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021, Az. 6 Sa 824/20

Mit aktuellem Urteil vom 30.11.2021 bestätigt das Bundesarbeitsgericht die bislang gelebte Praxis der Kürzung von Urlaubstagen bei Einführung von Kurzarbeit. Dies gelte jedenfalls dann, wenn einzelne Arbeitstage auf Grund von Kurzarbeit vollständig ausfallen, was bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen sei.

In dem zu entscheidenden Fall arbeitete die als Verkaufshilfe beschäftigte Klägerin in Teilzeit. Ihr standen ausgehend von einer Sechstagewoche arbeitsvertraglich 28 Werktage zu. Da sie lediglich an drei Tagen der Woche eingesetzt wurde, war ihr Urlaubsanspruch auf 14 Arbeitstage zu kürzen.

Sodann führte die Beklagte infolge des coronabedingten Arbeitsausfalls Kurzarbeit ein. Die Klägerin wurde in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig und in den Monaten November und Dezember abgesehen von jeweils fünf Arbeitstagen teilweise von der Arbeitspflicht befreit. Die damit einhergehende verminderte Arbeitspflicht nahm die Beklagte zum Anlass den Jahresurlaub um weitere 2,5 auf nunmehr nur noch 11,5 Urlaubstage zu kürzen.

Hiermit war die Klägerin nicht einverstanden. Sie war der Auffassung, dass kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage urlaubsrechtlich wie Arbeitstage zu bewerten seien, weswegen ihr weitere 2,5 Urlaubstage zustünden. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass in Kurzarbeit beschäftigte wie Teilzeitbeschäftigte zu behandeln seien. Die Leistungspflichten seien entsprechend suspendiert, mit der Folge, dass bei fehlender Arbeitspflicht auch kein Urlaubsanspruch entstehe.

Die amtliche Urteilsbegründung steht noch aus. Ausweislich der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts und den Ausführungen der Vorinstanz, LAG Düsseldorf, ist der Argumentation der Beklagten jedoch zu folgen:

Der nach § 3 BurlG auf 24 Werktage jährlich zu bemessende Jahresurlaub geht von einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Tage die Woche aus. Verteilen die Parteien die Arbeitszeit vertraglich auf weniger oder sogar mehr Arbeitstage in der Woche, ist die Anzahl der Arbeitstage entsprechend zu reduzieren oder zu erhöhen. Dies gelte mangels anderweitiger Vereinbarung auch für den vertraglichen Mehrurlaub, was vorliegend der Fall war. Weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht gelte etwas anderes. Entscheidend sei der Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 3 BUrlG von dem die Anzahl der Urlaubstage ausgehe. Abzustellen sei auf die jährliche Verteilung der Arbeitszeit bezogen auf die Wochenarbeitstage. Bei der Einführung von Kurzarbeit „Null“ gelte nichts anderes, da der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit wird. So sehe es auch der EuGH nach Auslegung von Art. 7 I der RL 2003/88/EG, welche durch Einführung von § 3 BUrlG vom Bundesgesetzgeber umgesetzt wurde. Der Zweck des jedem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaubs sei es, dem Arbeitnehmer Zeit für Erholung und Entspannung von seinen täglichen Arbeitsverpflichtungen zu ermöglichen. Das setze jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hat. Das ist bei der Einführung von Kurzarbeit „Null“ nicht der Fall. Anderweitige Vorschriften, die der Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit entgegenstünden seien nicht ersichtlich.

Der Urlaubsanspruch der Klägerin war daher folgerichtig auf 11,5 Arbeitstage zu reduzieren.

Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts ist unter folgendem Link abrufbar:

https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/urlaubsberechnung-bei-kurzarbeit/

 

RA Karl Neumann, LL.M. – Praxisgruppe Arbeitsrecht, ATN Rechtsanwälte

AST-Apparatebau GmbH mit starkem Investor für Neuausrichtung – Dickersbach System GmbH und Breidenbach Maschinen GmbH mit Management by Out Lösung

2. Dezember 2021

Köln, Wilnsdorf, Rösrath und Kürten – Dezember 2021 – Anfang des Jahres 2021 geriet die Höver-Unternehmensgruppe, welche sich auf die Metallverarbeitung spezialisiert hat, u.a. aufgrund der Corona-Krise in eine wirtschaftliche Krise. Darunter waren auch das Wilnsdorfer Unternehmen AST-Apparatebau GmbH, das Rösrather Unternehmen Dickersbach System GmbH sowie das in Kürten ansässige Unternehmen Breidenbach Maschinen GmbH.

Die AST-Apparatebau GmbH ist in der Branche für ihre präzise Schweißtechnik bekannt und stellt Sonderbehälter und –apparate für die Chemie-, Lebensmittel- und Armaturenindustrie her. Bereits einen Monat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem Amtsgericht Köln (Gruppengerichtsstand) wurde für das Unternehmen im Rahmen eines Asset-Deals eine Lösung gefunden. Die Fortführung konnte durch den Verkauf an einen erfahrenen, strategischen Investor, die Zilonis-Gruppe, gesichert werden.

Die Dickersbach System GmbH mit Sitz in Rösrath befasst sich mit der Herstellung von Geräten der Elektrowärmetechnik und der Feinblechbearbeitung. Nach Stabilisierung und Fortführung des Geschäftsbetriebs über fünf Monate nach Eröffnung des Verfahrens gelang zum 01.10.2021 im Rahmen eines Management by Outs die Übertragung des Geschäftsbetriebs an die Dickersbach Systemtechnik GmbH. Gleiches gelang für die Breidenbach Maschinen GmbH. Auch diese Gesellschaft konnte im Rahmen eines Asset-Deals an die Hansen Maschinenbau GmbH übertragen werden.

Als positiv herauszustellen ist, dass die Produktionsstätten in Wilnsdorf, Rösrath und Kürten weiter bestehen bleiben und alle 57 Arbeitsplätze erhalten werden konnten.

Über ATN Rechtsanwälte d’Avoine Teubler Neu:
ATN ist eine an mehreren Standorten in NRW ansässige Wirtschaftskanzlei, die mit über 100 Mitarbeitern über besondere Expertise im Bereich Restrukturierung und Insolvenzverwaltung verfügt. ATN gehört in diesem Bereich ausweislich der Wirtschaftswoche zu den Top-Kanzleien in Deutschland.