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„3G“ am Arbeitsplatz, § 28b IfSG n.F. – Arbeitgeber in der Pandemiebekämpfung

23. November 2021

Die bislang in § 28a Abs. 7 IfSG geregelte sog. „Epidemische Lage“ als Ermächtigungsgrundlage für Einschränkungen im Rahmen der Pandemiebekämpfung läuft zum 25.11.2021 aus. Dennoch steigt das Infektionsgeschehen. Daher hat der Bundestag mit Beschluss vom 18.11.2021 (BT-Drs. 20/15) den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ auf den Weg gebracht, dem bereits am 19.11.2021 einstimmig vom Bundesrat zugestimmt wurde (BR-Drs. 803/21).

Der darin enthaltene Maßnahmenkatalog tritt neben vereinzelten Regelungen am 24.11.2021 in Kraft und enthält behördliche Befugnisse zur Anordnung von Abstandsgeboten im öffentlichen Raum, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie Personenoberbegrenzungen im öffentlichen wie auch im Freizeitbereich. Darüber hinaus aber auch die für Arbeitgeber wichtige Verpflichtung zur Einführung von „3G“ (geimpft, genesen, getestet) am Arbeitsplatz. Die grundsätzlich der unternehmerischen Freiheit unterliegende Arbeitsstätte soll also nur noch für Geimpfte, Genesene und Getestete zugänglich sein.

Ausgangspunkt der rechtlichen Regelungen ist ein neu geschaffener § 28b IfSG. Während nach dieser Vorschrift „3G“ verpflichtend für den Luft-, sowie öffentlichen Personennah- und Fernverkehr eingeführt wird (§ 28b Abs. 5 IfSG), gilt dies nach § 28b Abs. 1, 2 und 3 IfSG nunmehr auch für den Arbeitsplatz und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Arbeitgeber werden also wieder einmal in die Pflicht zur Pandemiebekämpfung genommen.

Physischer Kontakt zwischen Arbeitgeber, Beschäftigten oder zu Dritten am Arbeitsplatz, § 28b Abs. 1 IfSG

Die „3G“-Regel findet nach § 28b Abs. 1 IfSG immer dann Anwendung, wenn physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten bei Betreten der Arbeitsstätte oder beim Transport von mehreren Beschäftigten zur oder von der Arbeitsstätte nicht ausgeschlossen werden können. Die Vorschrift stellt also klar, dass schon das potenzielle Aufeinandertreffen von Arbeitgebern, Beschäftigten und Dritten im Betrieb ausreicht, um den Anwendungsbereich zu eröffnen. Ein tatsächliches Aufeinandertreffen ist nicht notwendig und selbst unter Einhaltung schärfster Hygienemaßnahmen dürfte ein völliger Ausschluss jeglichen Kontakts der Belegschaft in Betrieben, auf Fluren, in Gemeinschaftsräumen und Sanitäreinrichtungen lebensfremd sein. Im Falle eines Verstoßes obliegt dem Arbeitgeber insoweit die Beweislast.

Ist der physische Kontakt nicht ausgeschlossen, darf die Arbeitsstätte nur von geimpften, genesenen oder getesteten Personen betreten werden, die einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis:

  • mit sich führen,
  • zur Kontrolle verfügbar halten oder
  • bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben.

Dabei darf im Falle eines PCR-Tests dieser maximal 48 Stunden zurückliegen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme ein Testangebot unterbreitet oder die Wahrnehmung eines Impfangebotes ermöglicht. Hintergrund der Ausnahmetatbestände sind schlicht praktische Erwägungen und die Förderung der Impfquote, auch wenn es im Einzelfall zu Infektionen kommen könnte.

Über die betrieblichen Zugangsregelungen und die Verpflichtung zum Mitführen, Bereithalten oder Hinterlegen etwaiger Nachweise sind die Beschäftigten bei Bedarf in barrierefreier, zugänglicher Form zu unterrichten, was sich durch Aushang im Intranet oder bereits vorab per Rundtelefonat mit der Belegschaft anbietet. Nur so kann ein möglicher Betriebszugang bereits vorab ausgeschlossen werden, § 28b Abs. 1 IfSG.

Verschärfte Testpflicht in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen, § 28b Abs. 2 IfSG

Für medizinische Einrichtungen, wie etwa Krankenhäuser, Dialyse- und Pflegeeinrichtungen oder Arztpraxen (Auflistung in § 23 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 7 IfSG), gilt darüber hinaus eine Testpflicht sowohl für den Arbeitgeber und die bei diesem Beschäftigten, aber auch für Besucher und Dritte, ganz unabhängig davon, ob sie geimpft oder genesen sind, § 28b Abs. 2 IfSG. Die Testung kann für Geimpfte und Genesene auch durch Eigenanwendung in Form von Antigen-Tests erfolgen, wobei der Test höchstens zweimal wöchentlich wiederholt werden muss.

Der Arbeitgeber ist des Weiteren dazu verpflichtet, ein einrichtungs- oder unternehmensbezogenes Testkonzept zu erstellen, im Rahmen dessen allen Beschäftigten und Besuchern Tests anzubieten sind. Die Möglichkeit Tests anzubieten wird bei medizinischen Einrichtungen folglich zur Pflicht und bezieht sich insbesondere auf Besucher, was sonst nicht der Fall ist.

Nachweispflicht für Arbeitgeber, Beschäftigte, Leiter medizinischer Einrichtungen und Besucher, § 28b Abs. 3 IfSG

Darüber hinaus obliegen Arbeitgeber und Leiter medizinischer Einrichtungen entsprechende Nachweiskontrollen. Sie sind verpflichtet, die Einhaltung der vorgenannten Verpflichtungen täglich zu überwachen und regelmäßig zu kontrollieren; sie müssen wie auch ihre Beschäftigten und Besucher, entsprechende Nachweise führen und auf Verlangen vorlegen, § 28b Abs. 3 S. 1, 2 IfSG. Zur Erhebung und Verarbeitung der damit verbundenen personenbezogenen Daten, auch zur Anpassung und Verbesserung eines vorhandenen Hygienekonzepts, sind sie nach § 28b Abs. 3 S. 3, 4 IfSG befugt.

Entsprechend können die zuständigen Behörden von jedem Arbeitgeber und den jeweiligen Leitungen der medizinischen Einrichtungen die zur Durchführung der Überwachungsaufgaben erforderlichen Auskünfte verlangen, § 28b Abs. 3 S. 6 IfSG. Für Arbeitgeber und Leiter, der in § 23 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 7 IfSG genannten Einrichtungen gilt darüber hinaus, dass sie aktiv verpflichtet sind, der zuständigen Behörde zweiwöchentlich folgende Angaben in anonymisierter Form zu übermitteln:

  1. Angaben zu den durchgeführten Testungen, jeweils bezogen auf Personen, die in der Einrichtung oder dem Unternehmen beschäftigt sind oder behandelt, betreut oder gepflegt werden oder untergebracht sind, sowie bezogen auf Besuchspersonen und
  2. Angaben zum Anteil der Personen, die gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sind, jeweils bezogen auf die Personen, die in der Einrichtung oder dem Unternehmen beschäftigt sind oder behandelt, betreut oder gepflegt werden oder untergebracht sind.

Die im Zuge dessen erhobenen Daten zu Impf- und Teststatus der betroffenen Personen sind spätestens am Ende des sechsten Monats ihrer Erhebung zu löschen.

Home-Office-Pflicht für Arbeitgeber und Beschäftigte, § 28b Abs. 4 IfSG

Die Verpflichtung zu täglichen Testungen der Beschäftigten entfällt mit der Einführung von Home-Office. Insoweit ist der Gesetzgeber mit der Einführung von § 28b Abs. 4 IfSG zur Home-Office-Pflicht zurückgekehrt. Die Norm ist inhaltsgleich mit der vom 23.04.2021 bis zum 30.06.2021 in § 28b Abs. 7 IfSG geltenden Vorgängerregelung und verpflichtet den Arbeitgeber zur Beschäftigung im Falle von Büroarbeit oder vergleichbarer Tätigkeit, diese in der Wohnung des Beschäftigten durchzuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.

Wir hatten hier einst ausgiebig berichtet.

Die vorgenannten Regelungen gelten vorerst bis zum Ablauf des 19.03.2022.

Fazit: Erhebliche organisatorische und finanzielle Verpflichtungen für Arbeitgeber, Leiter und Beschäftigte

Auf Arbeitgeber, Beschäftigte und Leiter der in § 23 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 7 IfSG genannten Einrichtungen kommen damit erhebliche organisatorische und finanzielle Verpflichtungen zu.

Für Beschäftigte und Besucher der genannten Betriebe gilt darüber hinaus, dass sie selbst dazu verpflichtet sind, sich entsprechende Test zu besorgen und vor Dienstantritt im Betrieb vorzulegen. Das Testen gehört nicht zur Arbeitszeit. Arbeitgeber sind lediglich verpflichtet, zwei Tests pro Woche zu stellen.

Legt der Beschäftigte keinen Test vor, kann er die Arbeitsstätte nicht betreten und seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Er riskiert damit seinen Lohnanspruch und muss nicht vergütet werden. Im Wiederholungsfalle kommen darüber hinaus sogar Abmahnung und verhaltensbedingte Kündigung in Betracht, wobei letztere erst nach ausführlichem Gespräch und Abwägung im Einzelfall erfolgen sollte.

 

RA Karl Neumann, LL.M. – Praxisgruppe Arbeitsrecht, ATN-Rechtsanwälte